HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
strohgedeckte Hütte stand. Sie rannte über den unebenen Boden, ohne darüber nachzudenken, warum weit und breit kein anderer Mensch und auch kein Pferd zu sehen waren. In ihrem Kopf war nichts anderes als das dringende Verlangen, den Earl zu sehen, ihn noch einmal umarmen zu dürfen, nur noch ein einziges Mal. Erst als sie die Tür aufgestoßen hatte und die Hütte verlassen vorfand, stieg ein Verdacht in ihr auf. Sie wandte sich zum Ausgang um zu fliehen, doch es war schon zu spät.
„Ihr!“ Ihr Magen zog sich vor Entsetzen zusammen, als sie sah, wie Denleigh die Tür mit betonter Sorgfalt von innen schloss und sich dann lächelnd davor stellte, die Hände auf die Hüften gestemmt. Eine innere Stimme sagte Seraphina, dass sie ihm auf keinen Fall ihre Angst zeigen durfte, was immer sie sonst auch tat. Sie richtete sich stolz auf und maß Denleigh mit einem hochmütigen Blick. „Ihr habt mich mit einer fingierten Botschaft hierher gelockt, Mylord. Damit habt Ihr Eure Revanche, und nun geht zur Seite …“
Doch Seraphinas Fassung ging verloren, als Denleigh sich plötzlich auf sie stürzte, sie gegen einen der dicken Balken drückte, die den offenen Heuboden über ihren Köpfen abstützten, und ihre Hände auf dem Rücken fesselte. „Lasst mich los!“ Seraphina schlug und trat wütend um sich, bis Denleigh ihren Kopf so heftig gegen den Balken stieß, dass ihr schwindlig wurde und alles vor ihren Augen verschwamm. In diesem Augenblick befestigte Denleigh ihre gefesselten Hände an dem Balken. „Seid Ihr verrückt geworden?“, stöhnte Seraphina, als sie wieder zu sich gekommen war. „Lasst mich sofort frei, oder …“
„Oder was?“ Seraphina erstarrte bei Grace’ kühler, lieblicher Stimme. „Ich hoffe, du erwartest nicht, dass dein Gemahl zu deiner Rettung hier erscheint.“
„Wo ist er?“, fragte Seraphina mit erstickter Stimme. „Was hast du mit ihm gemacht? Mir wurde gesagt, er sei verletzt …“
„Er meinte, das würde dich in Bewegung bringen.“ Grace erhob sich aus einem hochlehnigen Stuhl, der sie bis jetzt gut verborgen hatte, und klopfte den Staub von ihrem grauen Samtgewand, ehe sie antwortete. „Er ist nicht hier. Es gibt einige Dinge, die selbst er nicht durchstehen kann, wie es scheint.“
„Was meinst du damit?“ Seraphinas Angst steigerte sich zu eisigem Schrecken.
„Ihr habt mir aber nicht gesagt …“, begann Denleigh zögernd.
„Mit Euch hat das nichts zu tun, Mylord. Verlasst uns bitte.“ Grace machte eine verabschiedende Geste.
„Aber Ihr habt gesagt, ich könne sie haben …“, protestierte Denleigh aufgebracht.
„Es wird später für Euch genügend andere Frauen geben“, erwiderte Grace verächtlich. „Nun geht!“
Für den ersten Augenblick war Seraphina erleichtert, als sich die Tür hinter Denleigh schloss, und sie zwang sich, erneut mit einer Frage an Grace heranzutreten. „Also, was hast du gemeint? Warum hast du mich hierher gelockt …“
„Es war die Anordnung deines Herrn Gemahl. Er fühlte sich nicht mehr in der Lage, darauf zu vertrauen, dass deine Anhänglichkeit an ihn größer sein würde als deine fehlgeleitete Treue zum Hause Tudor. Es tut ihm natürlich leid, und es erfreut ihn keineswegs, so bald wieder Witwer zu sein, aber …“, sie zuckte die Schulter, „… wir alle müssen unsere Opfer für den Glauben bringen.“
„Du lügst!“ Wie ein Schrei kam es aus Seraphinas Kehle. „Das ist nicht wahr! Er würde mir nie weh tun. Er liebt mich …“
„Aber er scharwenzelte an euerm Hochzeitstag um mich herum …“ Grace hob geringschätzig die Brauen.
„Er ist nicht dein Liebhaber. Ich habe gehört, wie du es Denleigh in der Kapelle gesagt hast“, murmelte Seraphina verzweifelt.
„Ich habe gelogen, weil Denleighs Eifersucht begann, lästig zu werden.“
„Nein!“ Seraphina stöhnte wie ein verwundetes Tier.
„Nicht wahr, es schmerzt zu erfahren, dass alle dich angelogen haben? Aber vielleicht verstehst du jetzt, wie ich mich gefühlt habe, als Edmund sich in dich verliebte.“
„In mich?“ Seraphina lachte höhnisch, denn nun war sie sich sicher, dass Grace verrückt sein musste. „Er hasste mich!“
„Durchaus nicht.“ Ein verbissener Zug trat auf Grace’ Antlitz. „Er hasste sich selbst … weil er dich begehrte. Ehe du kamst, waren wir so glücklich. Er hatte geschworen, dass keine andere Frau meinen Platz in seinem Herzen einnehmen oder das Bett mit ihm teilen würde, was mir wegen unserer engen
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