HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
und Bauern – oder gestohlen, wenn nötig: wohlgemästetes Geflügel, Wildkeulen, Rind- und Schweinefleisch, Eier, getrocknete Äpfel, Zwiebelbunde, Bohnen und sogar kostbare Gewürze. Elise liebte die köstlichen Düfte, die neuerdings vom Herd strömten, und Jean hatte ihr gesagt, dass ihr Gesicht den verhärmten, hungrigen Ausdruck verloren hatte, der ihm sofort aufgefallen war, als sie vor zehn Wochen mit Gilles in Rouen eintraf.
Sie schauderte unwillkürlich, als sie sich an ihre Flucht durch die vom Krieg zerrissene Normandie erinnerte. Aus Angst, dass die Engländer sie verfolgten, hatten sie Gasthöfe und Klöster gemieden und sich abends nur ein kleines Feuer gegönnt, um zu kochen und sich aufzuwärmen. Als Frau, nur begleitet von einem Zwerg, zu gefährdet, hatten sie sich für sich gehalten – in ständiger Furcht, von herumstreichenden französischen Räubern oder von englischen Soldaten überfallen zu werden. Sie hatten erst aufgeatmet, als sie die Seine bei Rouen überqueren konnten. Das war kurz vor dem Neujahrstag gewesen.
Es hatte keine Mühe gekostet, Elises Bruder zu finden. Auf Elises Anfrage am Westtor der Stadt hatte der Wachtposten einen Boten losgeschickt, um Jean Jourdain, Capitaine der Artillerie, zu holen, und Minuten später kam ein Mann in leichter Rüstung die schmale Gasse zum Tor geritten.
Als der Reiter sich vom Pferd schwang, nahm er den Helm ab, und ein hellblonder, fast weißer Haarschopf kam zum Vorschein.
„Jean?“ Elise begann vor Unsicherheit zu zittern. Trotz ihrer Entschlossenheit Gilles gegenüber, als sie sich nach Rouen wandten anstatt nach Paris, war sie sich gar nicht so sicher, die richtige Wahl getroffen zu haben. Schließlich hatte seit ihrer Heirat mit dem französischen Ritter Kühle zwischen ihr und ihrem Bruder geherrscht, und seit sie das Château de Vire verlassen hatte, war kein Kontakt möglich gewesen. Jetzt, nachdem sie so weit gekommen war, fragte sie sich, was sie tun würde, wenn Jean sie abweisen sollte und ihr Schicksal ihm gleichgültig war.
Sein Gesicht spiegelte eine verhaltene Freude, als er sich ihr zuwandte. „Elise! Was tust du hier in Rouen?“
Elise bemerkte, dass er ihre schmutzige, staubige Erscheinung und dann den Zwerg musterte, der die Zügel ihrer beider Reittiere hielt.
Glücklicherweise war es ihr gelungen, ihm mit den Augen zu verstehen zu geben, dass sie es vorziehen würde, die Erörterung der Ereignisse, die sie hergeführt hatten, aufzuschieben, bis sie unter sich waren. Elise hatte nicht den Wunsch, ihre Geschichte vor den neugierigen Soldaten, die sie umringten, zu erzählen.
Am Abend jedoch, bei einem kräftigen Mahl in einer nahen Taverne, hatte sie ihm alles berichtet, angefangen bei ihrem Besuch bei Hofe, wo sie angeboten hatte, die Engländer auszuspionieren, bis zu dem Punkt, als sie, der Absicht, den König von England zu ermorden, angeklagt, mit Hilfe ihres Ritters und des Herzogs aus dem englischen Lager geflohen war.
Jeans Gesicht war immer ernster geworden, während sie ihre Geschichte erzählte, insbesondere, als sie eingestand, sich zutiefst in den englischen Ritter verliebt zu haben, den sie ursprünglich nur geheiratet hatte, um Informationen zu erlangen. Er hatte oft zu dem schweigenden Gilles hingeblickt, der mit ihnen zusammensaß, als hoffte er, der Zwerg würde seiner Herrin widersprechen.
„Bin ich … findest du, dass ich ein sehr verderbter Mensch bin, Jean? Vollkommen unverbesserlich?“, hatte sie schließlich gefragt, als sich das Schweigen zwischen ihnen ausdehnte.
Jean hatte nach ihren Händen gegriffen. „Meine arme, tapfere Schwester, wie musst du gelitten haben! Hast du geglaubt, ich würde dich abweisen? Natürlich werde ich einen Wohnsitz für dich finden, und du wirst in Rouen bleiben, wo ich mich um dich kümmern kann!“
Elise war so erleichtert gewesen, dass sie beinahe in Tränen ausgebrochen wäre, aber dann fragte Jean: „Was ist nun mit diesem englischen Ritter? Bist du wirklich mit ihm vermählt?“
Elise hatte genickt, und eine Träne war über ihre Wange gerollt. All der Kummer, den sie auf der Reise verdrängt hatte, stieg nun an die Oberfläche. „Ja, indes ich … er wird mich vergessen müssen. Wir können jetzt nicht mehr zusammenleben. Seine einzige Chance ist, sich von mir loszusagen. Sonst würde er die Gunst des Königs und jede Aussicht auf Ruhm und Ehre verlieren.“
„Als ob es mich kümmert, dass dieser verdammte Engländer in der Gunst des Königs
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