HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
bleibt“, hatte Jean grollend entgegnet. „Es ist nur gut, dass du ihn nie wiedersehen wirst.“
Elise hatte rasch das Thema gewechselt, bevor er mehr sagen konnte. „Freust du dich, jetzt Capitaine der Artillerie zu sein? Ich bin so stolz auf dich, Jean.“
Für einen Augenblick hatte er glücklich ausgesehen, aber dann auf seine Hände geblickt und sichtlich nach den richtigen Worten gesucht. „Natürlich. Welcher Mann in meiner Lage würde sich nicht freuen? Aber ich muss dir schon sagen, Elise, dass ich es lieber aus eigener Kraft erreicht haben würde und nicht nur, weil meine Schwester für Burgund spioniert hat. Ach, zum Henker! Jetzt habe ich dich verletzt …“
„Es tut mir leid, Jean. Ich … ich wollte doch nur helfen.“
„Das hast du getan, kleine Schwester, und dafür bin ich dir dankbar, wirklich“, sagte er etwas unbeholfen in seiner Entschuldigung. „Und jetzt bin ich an der Reihe, etwas für dich zu tun und für dich zu sorgen.“
Jean hatte im nordwestlichen Teil der Stadt ein kleines, gemütliches Haus für sie gefunden. Es lag in der Nähe der Burg – seinem Hauptquartier –, und das ermöglichte ihm, fast jeden Abend bei ihr zu essen und die Arbeiten im Haus zu erledigen, die Gilles nicht für sie tun konnte. Wenn er keinen Dienst hatte, schlief er oft in ihrem Haus vor dem Kamin.
Anfangs waren Elise und ihr Bruder etwas gehemmt miteinander. Beide erinnerten sich an die Entfremdung zwischen ihnen, seit sie Madame de Vire geworden war. Bald war es jedoch fast so, als hätte es diese Kluft nie gegeben. Es war wundervoll für Elise, dem älteren Bruder, der ihr einst so nahe gestanden hatte, wieder näherzukommen – Jean, der sie als Kind Huckepack getragen und die Schuld auf sich genommen hatte, als ihr die Lieblingsschüssel ihrer Mutter aus den Händen geglitten und zerbrochen war. Sie teilten Erinnerungen miteinander, und Elise hörte ihm aufmerksam zu, als er ihr erzählte, dass sein Kommandeur, Guy le Bouteiller, ihm große Verantwortung übertrug.
Was Elise ihm jedoch nicht erzählte, war, dass sie Sir Adam Sakers Kind unter dem Herzen trug.
Elise war sich selbst erst sicher gewesen, als sie zum zweiten Male keine monatliche Blutung hatte. Das erste Mal hatte sie es ihrer anhaltenden Erschöpfung nach der gefährlichen Winterreise nach Rouen zugeschrieben. Sie hatte viel geschlafen, und ihr Magen hatte seltsam empfindlich reagiert, wenn sie fettes Fleisch kochte, das ihr Bruder besonders gern aß. Aber jetzt musste sie jeden Morgen, sobald sie ihren Kopf vom Kissen hob, erbrechen, und ihr wurde klar, dass die leidenschaftlichen Nächte mit Adam ein neues Leben zur Folge gehabt hatten.
Sie konnte darüber nicht traurig sein, obgleich ihr Zustand mit der Zeit zweifellos Schwierigkeiten verursachen würde, und daher fürchtete sie sich, es Jean zu erzählen. Dennoch, das Kind, das in ihr heranwuchs, würde alles sein, was sie jemals von Adam haben würde, und sie wollte den kleinen Jungen oder das kleine Mädchen hüten wie einen Schatz und es zu ihrer ganzen Welt machen.
Bei diesem Gedanken lächelte sie und berührte ihren Bauch, der unter ihrem Kleid und der Schürze noch kaum gerundet war. Es würde noch einige Zeit vergehen, bevor sie ihr kostbares Geheimnis mit ihrem Bruder teilen musste, aber Gilles blickte sie immer so merkwürdig an. Elise wusste, dass sie ihrem klugen, kleinen Diener bald die Wahrheit sagen sollte – falls er es nicht bereits erraten hatte. Und sie würde nachschauen müssen, wie weit sie die Säume der beiden Kleider, die sie mitgebracht hatte, auslassen konnte. Schon jetzt waren ihre Brüste voller und drohten den Stoff zu sprengen.
„Ah, welch köstlicher Duft steigt mir in die Nase, liebe Madame“, kam eine Stimme durch die halb geöffnete Tür, die gleich darauf ganz aufgestoßen wurde.
„Es ist das Abendmahl meines Bruders, Capitaine Blanchard“, entgegnete Elise und verwünschte sich, weil sie das Fenster nicht geschlossen und mit dem Laden gesichert hatte. Doch sie hatte die späte Märzsonne und frische Luft hereinlassen wollen. Sie musterte kühl die stämmige Gestalt, die in den Raum trat, ohne eine Einladung abzuwarten.
Alain Blanchard, Hauptmann der Bogenschützen, war groß, kräftig gebaut und auf eine derbe Art gut aussehend. Er hatte leicht vorstehende blaue Augen und einen hängenden blonden Schnurrbart, der zum Teil seinen vollen, sinnlichen Mund verdeckte. Er war auf Elise aufmerksam geworden, als sie einmal die
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