HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
nicht beleidigen, Sir Adam. Vielleicht solltet Ihr wissen, dass ich vor meiner Ehe nur eine Bürgerstochter war. Alles, was Etikette und Protokoll anbetrifft, ist mir noch immer nicht recht geläufig.“ Das zumindest war die Wahrheit. Ihre Herkunft war ein Makel, den Aimeris Bruder und seine Frau sie stets hatten spüren lassen.
Sir Adam hielt sie also für kokett. Ein verwirrender Mann – erst trank er aus dem Kelch, wo ihre Lippen ihn berührt hatten, und dann benahm er sich so kratzbürstig wie ein Mönch nach ausgedehntem Fasten! Welche Erfahrungen mochten diesen englischen Ritter mit dem dunklen, strengen Gesicht und den misstrauischen Augen geformt haben?
War er von Natur aus argwöhnisch, oder war sie zu weit gegangen? Sie durfte ihre Rolle nicht übertreiben. War es ihr gelungen, ihn zu überzeugen, dass sie nur eine verängstigte junge Witwe war, die Schutz brauchte? Hatte sie in ihm mehr als nur Beschützerinstinkte erweckt? Jetzt wusste sie nicht einmal, ob er von ihr angetan war oder sie verachtete.
Nachdem sie das blutige Massaker auf dem Marktplatz mitansehen musste, fiel es ihr schwer, sich in Erinnerung zu rufen, dass sie nicht nur eine verängstigte junge Witwe war, sondern ein Werkzeug der Rache.
Dann merkte sie, dass Sir Adam sie noch immer sehr nachdenklich betrachtete, und machte sich an der Truhe zu schaffen.
Elise war froh, dass sie ihn gebeten hatte, sie zum Dreifaltigkeitskloster zu geleiten. Bei den guten Nonnen würde sie sicher sein und dennoch Verbindung zu den Engländern haben, da das Kloster zugleich das Hauptquartier des königlichen Herzogs war. Gewiss war das vorteilhaft, um nützliche Informationen zu erlangen. Und Sir Adams Knappe hatte ihr erzählt, dass Thomas, Duke of Clarence, Sir Adams Lehnsherr war, was bedeuten konnte, dass Sir Adam häufig im Kloster erscheinen würde …
Nun, wenn Sir Adam sie bloß für ein albernes, kokettes weibliches Wesen hielt, dann würde sie eben andere unter den Engländern finden, die sie anziehend fanden – zu ihrem Pech.
3. KAPITEL
In stummem Einverständnis nahmen Sir Adam und Elise die Rue Exmosine, die an den Molen vorbei zur Abbaye aux Dames führte und es ihnen ermöglichte, die Marktplatz-Gegend zu umgehen.
Dennoch gab es auch hier alle paar Meter Spuren des Blutbads: gefallene französische Landsknechte mit schrecklichen, blutverkrusteten Wunden, Frauen, die mit ausgebreiteten Beinen auf dem Rücken lagen, die Röcke hochgeschlagen über die toten Gesichter, herumirrende, weinende Kinder, die nach ihren Müttern suchten, die vermutlich tot waren.
Immer noch zogen Rauchschwaden durch die Luft. Überall standen Häuser in Flammen, aus denen oft mit Beute beladene englische Soldaten, die sich gegenseitig mit Zurufen anfeuerten, rannten. Einige von ihnen gaben angesichts von Sir Adam und seiner Begleiterin laut ihrem Beifall Ausdruck, da sie offensichtlich annahmen, die hübsche Rothaarige hätte zugestimmt, sich ihm hinzugeben als Gegenleistung für seinen Schutz. Sie bedachten den Zwerg, der an ihrer Seite ging, mit Schmähungen, aber als Sir Adam ihnen einen durchdringenden Blick zuwarf, hörten sie auf, den Kleinen zu hänseln.
Bis sie endlich die Sicherheit des Klosters erreicht hatten, zitterte Elise am ganzen Körper, ihr Gesicht hatte alle Farbe verloren und ihre grünen Augen wirkten riesig. Adam bemerkte, dass sie ihre Hände zwischen den Falten ihres Gewandes ballte – vor Angst und Entsetzen oder vor Wut? Er stellte sich vor, seine Schwestern oder Anne wären in der gleichen Lage … und konnte es ihr nicht verübeln.
Adam brachte sie zum Hauptgebäude des Klosters, in dem immer noch die Benediktinerinnen residierten, und suchte den Empfangsraum der Äbtissin auf. Auf sein Klopfen hin öffnete die Oberin die Tür und blickte misstrauisch auf den Engländer, der vor ihr stand. Dann sah sie jedoch die junge Frau hinter ihm, trat vor und breitete die Arme aus.
„Meine liebe Madame de Vire, ich habe mir Sorgen um Euch gemacht, vor allem, da ich doch wusste, dass Ihr allein wart …“
Schluchzend warf Elise sich in die Arme der Äbtissin und sank an ihre schmale Brust.
„Mein armes Kind, beruhigt Euch! Ihr seid in Sicherheit. Alles wird wieder gut werden!“, tröstete die Äbtissin und streichelte das wirre Haar der jungen Frau, während sie Adam mit einem finsteren Blick bedachte. „Hat dieser Mann Euch in irgendeiner Weise Schaden zugefügt?“
„Nun, weshalb sollte ich sie herbringen, wenn ich …“,
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