HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
milchweißem Teint mit einem Rosenhauch bevorzugten. Diese Frau war groß, vermutlich nur eine Handbreit kleiner als er selbst mit seinen sechs Fuß, und hatte ein herzförmiges Gesicht mit schrägen jadegrünen Augen, die ihn an die Augen einer Katze erinnerten. Ihr Mund glich ebenfalls in keiner Weise der von den Troubadouren gepriesenen zarten Rosenknospe, sondern war breit und rot und weckte in dem Betrachter unversehens sinnliche Gedanken.
Diese Frau ähnelte in nichts Anne, und doch musste er unwillkürlich an Annes goldblonde, vollkommene Schönheit denken. Er spürte plötzlich ein Dröhnen im Kopf und einen Schmerz im Inneren, war sich aber nicht sicher, ob letzterer der vertraute Verlustschmerz war.
Elise betrachtete den verhassten Engländer. Er hatte seine Sturmhaube abgenommen, und sein Gesicht war das eines Abenteurers mit hageren, eckigen Wangenknochen und einer Adlernase, die einmal gebrochen gewesen sein musste. Seine Augen glichen zwei Stückchen polierter Pechkohle und waren ebenso undurchdringlich. Sein Mund bildete eine schmale, harte Linie. Elise hatte seine Worte gehört, konnte sich aber von einem Mann mit einem solchen Gesicht keine Gnade erhoffen. Dennoch musste sie ihr Glück versuchen.
„Monseigneur, ich bin Madame Elise de Vire, und dies ist mein Diener Gilles Le Petit. Wenn Ihr ein wahrer Rittersmann seid, bitte ich um Euren Schutz.“
Etwas blitzte in seinen Augen auf, aber bevor sie erkennen konnte, was es war, wurde es bereits durch ein – wie ihr schien – teuflisches Funkeln ersetzt.
„Madame de Vire, ich wiederhole, was ich bereits sagte: Wenn Ihr keine Gewalt gegen uns anwendet, habt Ihr nichts zu befürchten. Lass sie los, Harry.“
Seine Stimme war so kalt und scharf wie die Schneide seines Schwertes, und sein Französisch makellos. Dennoch meinte Elise, eine gewisse Müdigkeit herauszuhören. Nun, Mord ist auch ein hartes Geschäft, sagte sie sich und richtete sich auf, als der junge Mann ihre Handgelenke freigab.
„So wie jene auf dem Marktplatz nichts von Euch zu befürchten hatten, edler Ritter?“, entgegnete sie herausfordernd und fragte sich dann, weshalb sie etwas so Törichtes gesagt hatte. Ihr Ziel war, sich beim Feind einzuschleichen und nicht ihn zu verärgern, bis er sie umbrachte. Dennoch erfüllte es sie mit Genugtuung zu sehen, dass ihre Bemerkung ihn getroffen hatte, denn er wurde weiß um den Mund.
„Mein Name ist Sir Adam Saker, Madame de Vire. Gewiss, Ihr habt keinen Grund, mir zu glauben, aber ich versichere Euch, dass ich an dem Massaker unschuldiger Bürger nicht teilgenommen habe. Ich würde es in keinem Fall getan haben, aber ich war zu dem Zeitpunkt zu sehr damit beschäftigt, meinen Knappen zu suchen, der an meiner Seite hätte sein sollen.“
Merkwürdigerweise glaubte Elise ihm. Sie sah, wie er seinem hinter ihr stehenden Knappen einen bösen Blick zuwarf, und hörte den jungen Mann etwas in Englisch murmeln, vermutlich eine Entschuldigung auf den Vorwurf seines gestrengen Herrn.
„Wenn Ihr mit mir kommen wollt, Madame de Vire …“
Plötzlich erstarb seine Stimme. Alle Farbe wich aus seinem Gesicht, und Elise sah entsetzt, wie er zu ihren Füßen zusammenbrach.
2. KAPITEL
Als Adam wieder zu sich kam, fühlte er als erstes kaltes Wasser, das von einem nassen Tuch auf seiner Stirn an seinem Hals herunterlief. Erst dann wurde ihm der Schmerz an seiner einen Kopfseite bewusst.
„Liegt still, Engländer, sodass ich das getrocknete Blut aus Eurer Wunde waschen kann“, sagte eine weibliche Stimme gelassen in Französisch.
Es dauerte ein Weilchen, bis Adams verschwommene Sicht sich klärte und er sah, dass er in einem Himmelbett lag. Sein Kopf fühlte sich leicht an. Man hatte ihm Kettenschutz und Lederhaube abgenommen, aber er trug immer noch seine Rüstung. Die Französin mit den rotbraunen Haaren – wie war doch ihr Name? – saß neben dem Bett auf einem Hocker und wrang ein blutbeflecktes Tuch über einer Waschschüssel aus.
Adam überkam eine Welle von Scham, als ihm bewusst wurde, dass er vor seiner Gefangenen ohnmächtig geworden war. Er, ein Ritter des englischen Königreichs, hatte die Besinnung verloren wie ein zartes junges Mädchen.
„Das ist unnötig“, erklärte er kurz angebunden, als er sah, dass Elise ein Pferdehaar in eine Nadel einfädelte.
„Aber Eure Wunde muss genäht werden …“
„Sie wird von allein heilen. Wo bin ich? Wo ist Harry, mein Knappe?“
Elise nahm seine Weigerung gleichmütig hin.
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