HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
Angeber!“
„Ja, aber sei dennoch auf der Hut, Schwester, denn Männer wie er lieben es, ihre Stärke gegen Schwache auszuspielen. Ich würde übrigens nicht Blanchard sein wollen, wenn die Engländer jemals in die Stadt eindringen – sie haben mit angesehen, wie sehr er die Rolle des Henkers und die Hinrichtungen ihrer Landsleute genießt!“ Jean erzählte Elise jedoch nichts von den Drohungen, die Blanchard gegen ihn ausgestoßen hatte, nachdem er sich geweigert hatte, König Henry zu erschießen. Seine Schwester hatte schon genug Sorgen.
Elise hörte eine Woche lang nichts von Jean. Und dann kehrte eines Morgens, als Schnee in dichten, nassen Flocken vom Himmel fiel und der Wind durch die Straßen fegte, Blanchard zurück.
„Ihr solltet mich besser hereinlassen, es sei denn, Ihr wünscht, dass ich Euch sage, was ich zu sagen habe, sodass die gesamte Nachbarschaft auf dem Platz es hören kann“, teilte er ihr mit, als sie durch den Fensterladen hinausspähte. „Haltet Euer Messer in der Hand, wenn es sein muss, aber hört mich diesmal wenigstens an. Es ist besser für Euch.“ Etwas in Blanchards unheilkündendem Ton überzeugte Elise, ihm zu öffnen, noch bevor er hinzufügte: „Und es ist sinnlos zu hoffen, dass Jean kommen wird. Le Bouteiller hat ihn für ein paar Tage in eine Kerkerzelle gesteckt, weil er sich geweigert hat, auf König Henry zu schießen, als er freie Schussbahn hatte.“
Elise, das Messer in der Hand, blickte wachsam auf Alain Blanchard, als er durch die Tür hereinstolzierte – zumindest noch zum Teil so aufgeblasen und angeberisch wie früher. Immerhin hatte sogar er an Gewicht verloren. Seine sonst rosigen Wangen waren blass und unter dem goldblonden Bart etwas eingefallen. In der Hand hielt er einen kleinen Beutel.
„Ich bin gekommen, um Euch ein Angebot zu machen, Madame – das letzte, das Ihr von mir hören werdet, wenn Ihr es ablehnt. Aber Ihr seid nur noch Haut und Knochen, Elise! Ich denke, Ihr werdet nicht auf Euren Stolz hören, wenn das den Hungertod bedeutet.“ Er öffnete den Beutel und ließ sie hineinschauen. Ein Fasan lag zusammengekrümmt darin.
„Wo … wo habt ihr ihn her?“, flüsterte Elise und fuhr sich unwillkürlich mit der Zungenspitze über die Lippen.
„Ich habe meine Quellen“, erwiderte er geheimnisvoll und selbstgefällig, während er sie hungrig ansah. „Stellt Euch vor, ma chère ,wie der Vogel über dem Feuer röstet und eine knusprige Haut bekommt … und wie saftig das Fleisch sein wird … wie köstlich. Und ich kann noch mehr besorgen, wenn Ihr aufhört, die hochnäsige Lady zu spielen und meine Mätresse werdet, Elise. Weshalb solltet Ihr und das Kind verhungern wegen Eurer Gefühllosigkeit? Verdammt, Ihr seid schön, Elise de Vire. Selbst so mager wie eine verhungernde Katze finde ich Euch immer noch begehrenswert.“
Ihr leerer Magen grollte, als hätte er den Vogel gesehen.
Blanchard grinste. Er war sich seines Sieges gewiss. „Wir könnten den Fasan rupfen und anfangen, ihn auf dem Spieß am Feuer zu braten, während wir den Handel besiegeln, meine kupferhaarige Schöne!“
Es war diese Selbstgefälligkeit seines Lächelns, die Elise den Gedanken daran, wie gut der Fasan schmecken würde, verdarb und sie daran erinnerte, was er sie kosten würde. „Nein, ich werde auf den Herzog von Burgund warten, dass er Rouen befreit“, teilte sie ihm mit. „Ich weiß, dass er auf dem Weg ist. Ich wünsche Euch einen guten Tag, Blanchard.“
Er lachte freudlos. „Zählt nur nicht auf Jean de Burgund. Er hat sein Lager in Pontoise aufgeschlagen, nur einen Tagesmarsch entfernt, aber er hat sich mit den Armagnacs zerstritten und schwört, er wird sich dort nicht wegbewegen, außer um sich zurückzuziehen.“
Elise starrte ihn fassungslos an. Sie wollte ihm nicht glauben, doch sie sah die Wahrheit in seinen Augen. Blanchard war ein Mann des Herzogs, ebenso wie ihr Bruder, sie erkannte indes sehr wohl, dass Blanchard den Glauben an den unbeständigen Herzog verloren hatte – ebenso wie Jean.
„Geht“, flüsterte sie und sprach, bevor sie sich richtig klarmachen konnte, was sie aufgab: die Chance, wenigstens ein paar Tage ohne Hunger zu leben.
„Wisst Ihr, was Ihr da tut, Elise? Verweigert Ihr Euch mir jetzt, dann schicke ich Euch das Komitee von Rouen, das schwöre ich! Ihr wisst doch – jene Leute, die nach ‚nutzlosen Essern‘ fahnden, um sie aus der Stadt zu weisen! Ihr und Euer Bastard werdet zu den anderen in den Graben
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