Historical Exclusiv Band 44
ihn ihre Worte zusammen mit der Erinnerung daran, wie ihr Körper, nur für einen Moment, schwach geworden war. Warum hatte sie ihm widerstanden, nachdem sie ihn wochenlang herausgefordert hatte? Darüber nachzudenken hinderte ihn daran, sich zu fragen, warum er nun versucht hatte, sie zu nehmen, nachdem er sich ihr wochenlang widersetzt hatte.
Während er auf den Schlaf wartete, der nicht kommen wollte, erinnerte er sich daran, wie er als Kind im Bett gelegen und seinen Vater mit seiner Mutter im Bett nebenan hatte flüstern hören. Ihre ruhige, liebevolle Stimme hatte seinen Vater immer beschwichtigt, wenn dessen Worte so streng wie die Worte Moses’ geklungen hatten. Nur seine Mutter war in der Lage gewesen, ihn zu einem anderen Blickwinkel zu führen.
Nach ihrem Tod hatte es niemanden mehr gegeben, der seine Urteile abmildern konnte.
Und nun sah er sich einer Frau gegenüber, die alles infrage stellte, was ihm wichtig war, die ihn mit Vergnügen in Ketten gelegt sehen würde, wenn dies des Königs Wunsch wäre. Indem sie sein Mitleid mit dem Jungen weckte, hatte sie ihn dazu gebracht, eine Schwäche zu zeigen, die zweifellos seiner Majestät ans Ohr dringen würde.
Er drehte sich um, schlug in das Federkissen, das bedauerlicherweise wenig Gegenwehr leistete, und verfluchte seine offenen Worte.
Ihre Frage hatte ihn herausgefordert, sich an die Worte zu halten, mit denen er sie gemaßregelt hatte. Gesetz. Wahrheit. Gerechtigkeit.
Er rollte sich aus dem Bett und öffnete die Läden, froh über die kalte Luft. Dann blickte er hinauf zu den Sternen, die sie so liebte. Solay glaubte, ihnen einen Sinn geben zu können. Konnte sie das auch für ihn tun?
Justin schloss die Läden und damit auch den Himmel aus. Die Fastenzeit war beinahe zur Hälfte vorüber. Bald würde der König die Frage stellen.
Er konnte nur eine Antwort geben.
16. KAPITEL
S olay hielt sich unauffällig im Korridor vor Justins Kammer auf, lauschte auf die Stimmen und versuchte, die Worte des Boten zu verstehen.
Der Mann war mit leeren Händen angekommen. Seine Nachricht musste zu wichtig sein, um sie aufzuschreiben.
Sie bückte sich tiefer in der Hoffnung, dass ein paar Worte unter der Tür hindurchdringen würden. Inzwischen war ihr Wunsch, etwas über Justins Angelegenheiten zu erfahren, ebenso drängend geworden wie der des Königs. Trotz Justins Stolz auf seine Ehrlichkeit waren seine Lippen seit London, was seine Arbeit anging, wie versiegelt gewesen.
Vielleicht gingen das Gesetz und sein Sinn für Gerechtigkeit jetzt getrennte Wege.
Von Anfang an hatte sie gewusst, dass er gegen den König eingestellt war, aber nie hätte sie gedacht, dass er das Gesetz umgehen würde. Wenn das stimmte, musste sie den Gefühlen widerstehen, die er in ihr weckte. Als er sie geküsst hatte, hatte sie gegen das Verlangen gekämpft, das in ihr aufgestiegen war, seltsam erleichtert, dass er ihnen einen Ausweg gelassen hatte, dass sie noch nicht an ihn gebunden war. Wenn er in Bezug auf das Gesetz lügen konnte, konnte dann auch sein Kuss lügen?
Als sie hörte, wie die Männer sich verabschiedeten, zog sie sich weiter in den Gang zurück. Dann schlenderte sie auf den kleinen Raum zu, als wäre sie gerade erst gekommen, lächelte den Boten an, als er ging, und blieb dann vor der Tür stehen, darauf wartend, dass Justin sie hereinbat.
Er tat es nicht.
„Welche Neuigkeiten hat er gebracht?“, fragte sie endlich, bereit, jene ehrlichen Fragen zu stellen, die Justin zu bevorzugen schien.
„Ich werde es dem König selbst sagen, wenn er es hören soll.“
„Die Neuigkeiten könnten den König interessieren. Vor allem, wenn es um Hochverrat geht.“
Seine Augen wurden dunkler. „Hochverrat ist kein Scherz.“
Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Er leugnete es nicht. „Und das ist keine Antwort.“
Er trat einen Schritt zurück und sah sie an. „Wisst Ihr überhaupt, was Hochverrat bedeutet?“
„Ja, das weiß ich.“ Sie lächelte und musste jetzt nichts vorspielen. „Das Gesetz meines Vaters war in diesem Fall eindeutig. Es gibt sieben Verstöße.“ Es gab eine Zeit, da hatte ihre Mutter das wissen müssen, und sie hatte es ihnen beigebracht. „Ich werde sie Euch auflisten. Zuerst Mord an König, Königin oder deren Erben. Zweitens, …“
„Genau heißt es: wenn ein Mann den Tod des Königs anstrebt oder ihn sich vorstellt.“
Sie nickte bei seinen Worten. „Ja, selbst der Plan gilt als Verrat. Aber wenn es Verrat ist, sich den Tod des
Weitere Kostenlose Bücher