Historical Exclusiv Band 44
ihr klären. Vielleicht war sie ihm den ganzen Tag bewusst aus dem Weg gegangen. Aber irgendwann würde sie ihm wieder gegenüberstehen.
Sobald ich sie finde, lasse ich sie nicht eher gehen, bis sie mir alle Fragen beantwortet hat, schwor sich Anthony. Und vor allem wollte er wissen, von welcher Art ihre Beziehung zu Henry Partridge war. Und wenn sie nicht antworten würde, würde er sich nicht scheuen, jedes zur Verfügung stehende Mittel zu benutzen, um sie zum Reden zu bringen. Der bloße Gedanke an diese Frau brachte ihn zur Raserei.
Sarah war todmüde. Den ganzen Tag hatte sie sich hin- und hergerissen gefühlt zwischen den Sorgen um Jack und der Verwirrung wegen ihres Verhältnisses zu Anthony. Immer wieder musste sie an das aufregende Liebeserlebnis tags zuvor denken.
Dann war zu ihrer großen Erleichterung Jack von seinen Verhandlungen mit den Schmugglern zurückgekehrt. Aber er hatte ihr nur zu berichten, dass sie selbst noch mit der Bande Kontakt aufnehmen sollte. Außerdem musste sie höchstwahrscheinlich noch einmal als maskierter Straßenräuber auftreten, um das Geld zu bekommen, das die Schmuggler für die Passage des Landvikars auf den Kontinent verlangten.
Diese ganzen Begleitumstände bedeuteten, dass Anthonys ständige Anwesenheit sie in Gefahr brachte. Sarah wünschte sich fast, sie wäre ein einfaches Dorfmädchen wie Norah Thatcher. Dann könnten sie und Anthony eine lange Liebesnacht unter den Sternen genießen, ohne an die Konsequenzen zu denken. Sie lächelte über diesen merkwürdigen Einfall.
In Wahrheit war das Leben für die jungen Frauen aus dem Dorf bestimmt auch nicht so einfach, und sie erinnerte sich an Merry Thatchers verhärmtes Gesicht.
Tatsache ist, dass ich jedenfalls kein Mädchen aus dem Dorfe bin, sagte sich Sarah. Als Tochter von John Fairfax und Schwester von Jack Fairfax wird das Leben nie einfach für mich sein. Das sollte ich mir merken und dafür all die aufwühlenden Erlebnisse und Empfindungen vergessen, die ich in Anthonys Armen erfahren habe. Ich werde versuchen, ihm aus dem Weg zu gehen, und hoffen, dass er mich aufgibt und nach London zurückkehrt.
Sarah durfte nicht mehr lange abwarten, bevor sie handelte. Als sie dem Landvikar heute Abend das Essen brachte, stimmte der ebenfalls anwesende Jack ihr zu, dass es höchst ungesund für den Pastor sei, noch länger in der feuchten Höhle zu bleiben. Morgen Abend würde wieder der Vollmond aufgehen. Wenn sie Glück hatten, würden sie eine leichte Beute auf der Old North Road finden und die Sache wäre erledigt.
Es war spät. Sie und Jack waren lange in der Höhle geblieben und hatten beim Schein des kleinen Feuers alles miteinander abgesprochen, während Pastor Hollander neben ihnen unruhig schlummerte. Ihr Onkel würde jetzt schon schlafen, und sie hoffte, ihr Gast würde dasselbe tun.
Sie schloss leise die große Vordertür des Herrenhauses hinter sich. Vorsichtig, sodass ihre Reitstiefel kein Geräusch auf dem Fliesenboden verursachten, schlich sie am Eingang der Bibliothek vorbei und steuerte auf die Wendeltreppe am Ende des Flurs zu.
Sie zuckte zusammen, als sie plötzlich eine starke Hand an der Schulter zurückzog. „Wo seid Ihr gewesen?“, fragte Anthony ohne Umschweife.
Sarah drehte sich langsam um. Sie sah sehr erschöpft und müde aus, das bemerkte er auf den ersten Blick. Als sie in seine Augen schaute, fühlte sie, wie ihr Herz schneller schlug. Seine Hand lastete schwer auf ihr. Aber Sarah ließ sich ihren Schreck nicht anmerken. Sie stand kerzengerade und entgegnete hochmütig: „Ich werde Euch gern von meinen Unternehmungen erzählen, sobald Ihr mir einen vernünftigen Grund nennt, warum Euch das etwas angeht.“
Sie trug wieder ihr blaues Reitkleid, dasselbe, das Anthony ihr gestern von ihrer seidenweichen Haut gestreift hatte. Und sie war im Moment sehr zornig. Ihre Augen blitzen. Die Rede, die er den ganzen Abend vorbereitet hatte, war ihm gänzlich entfallen.
„Vielleicht genügt Euch das zur Begründung“, flüsterte er, zog sie an sich und küsste fordernd ihren Mund.
Er spürte, wie das Verlangen von ihm Besitz ergriff. Im Moment war es ihm völlig egal, wo sie gewesen war, auch wenn sie direkt aus Henry Partridges Bett kommen würde. Er begehrte diese Frau. Anthony hob Sarah mühelos hoch, hielt sie fest in den Armen und stieg mit ihr die Treppe zu seinem Schlafzimmer empor. Diese Nacht würde ihm gehören – ihnen beiden allein. Morgen blieb immer noch Zeit genug, um alles
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