Historical Exklusiv Band 06
gerade eine schwere, dreimonatige Reise hinter sich hatten und weit mehr an Mädchen interessiert waren als am richtigen Weg ins Himmelreich.
James hatte die Tochter dieses Mannes gerade vor ein paar Tagen zum ersten Mal gesehen, als sie mit einem jungen Mann auf der Praya Grande promenierte. Zuerst hatte er sie irrtümlicherweise für eine Gouvernante gehalten, mit ihrem einfachen Kleid und dem soliden Schuhwerk. Doch selbst der schlichte grüne Stoff konnte ihre üppigen weiblichen Rundungen nicht verbergen. Ein Mann musste blind oder tot sein, um ihre wohlgeformten Brüste nicht zu bemerken, und James war keines von beiden. Die Information, dass sie die altjüngferliche Tochter des Missionars war, hatte sein gerade erst aufgeflammtes Interesse allerdings im Keim erstickt. Er zog willige, erfahrene Frauen oder die entzückenden Bewohnerinnen des "Hauses der tanzenden Blüten" vertrockneten Blaustrümpfen vor.
Als er ihr hier nun wieder begegnete und sie aus der Nähe sah, fragte James sich, ob er seinem anfänglichen Interesse nicht doch hätte nachgeben sollen. Miss Abernathy besaß einen Mund, der so üppig war, wie ein Mann sich ihn nur erträumen konnte, eine schmale Nase und einen Blick von entwaffnender Offenheit. Die braunen Augen waren umgeben von dichten schwarzen Wimpern, und die goldenen Flecke darin erinnerten James an edlen Sherry in einer Kristallkaraffe. In diesem Augenblick gerade blitzten sie auf bei ihrem überraschenden, verwirrenden und vollkommen unerwarteten Lachen.
"Ich kann mir schlimmere Charakterfehler als Humor vorstellen, Miss Abernathy", sagte er langsam, gegen seinen Willen von ihrer Lebhaftigkeit angezogen.
"Nicht für die Tochter eines Missionars", erwiderte sie.
"Aber Sie sind doch eine sehr ungewöhnliche Missionarstochter."
Sie verzog den Mund. "Und Sie kennen gewiss genügend von uns, um einen solchen Vergleich ziehen zu können, Lord Straithe?"
Ihre kecke Antwort überraschte James. "Eine verdammt ungewöhnliche Missionarstochter sogar", murmelte er dann, mehr zu sich selbst als zu ihr sprechend.
"Nun ja", erwiderte sie, und ihr Lächeln verschwand bei seinem unhöflichen Tonfall. "Ich vermute, Sie haben Recht, sonst wäre ich wohl nicht hier, oder?"
"Nein, das wären Sie vermutlich nicht."
James war der Wortgefechte überdrüssig, und er entschied, dass es Zeit war, dieses dreiste Frauenzimmer loszuwerden und stattdessen die entzückende Mei Lin zu rufen, damit sie den Schmerz in seinen Schläfen vertrieb. Unter anderem.
"Ich vermute, Ihre Anwesenheit hier hat etwas zu tun mit den Nachrichten, die Sie mir zukommen ließen, und nicht mit dem Wunsch, das Geheimnis des flatternden Schmetterlings zu lüften?"
"Des Flatternden …"
Mit spöttischem Lächeln deutete er auf eine der Wandtafeln, die das Bett verzierten.
Röte färbte ihr Gesicht. Sie hob den Kopf und sah ihn an. "Natürlich hat meine Anwesenheit hier damit nichts zu tun."
Herausgefordert von dem Schwindel in seinem Kopf und der Art, wie sie die Nase weiterhin hoch trug, konnte James der Versuchung nicht widerstehen, sie noch ein bisschen zu necken.
"Wer weiß, vielleicht würde es Ihnen sogar gefallen", meinte er herausfordernd.
Sie verzog den Mund und sah nun genauso aus wie die Gouvernante, für die er sie vorher gehalten hatte. "Es hat keinen Sinn, mich in Verlegenheit bringen zu wollen, Lord Straithe. Ich bin längst aus dem Alter heraus, in dem man über so etwas außer Fassung gerät. Aber es wäre mir lieb, wenn Sie auf weitere schlüpfrige Andeutungen dieser Art verzichten würden."
James ergötzte sich an ihrer prüden, missbilligenden Haltung. Das Lachen, das ihn so verwirrt hatte, war vollkommen aus ihren Augen verschwunden. Er wollte sich nicht eingestehen, dass er es vermisste.
"Wenn Sie sich mit Männern in Bordellen treffen, dann müssen Sie sich noch an weit Schlimmeres als an schlüpfrige Andeutungen gewöhnen."
Er trat ein paar Schritte vor, in der Absicht, sie zu erschrecken und dann fortzuschicken. Daher hob er die Hand und strich ihr über die glühend heiße Wange. Dass sich ihre Haut zart und weich anfühlte, überraschte ihn beinahe so sehr, wie die unerwartete Berührung sie erschreckte.
Hastig trat sie einen Schritt zurück. Als sie feststellte, dass das Bett sie an jedem weiteren Rückzug hinderte, sah sie ihn konsterniert an.
"Lord Straithe! Ich muss darauf bestehen, dass Sie Abstand nehmen von solchen … solchen …"
"Solchen Intimitäten?" murmelte er. Das Spiel
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