Historical Exklusiv Band 06
nicht dabei einen Mann angeln wollte. Dagegen sprach schon ihre bereitwillige Reaktion auf seine Annäherungen.
Als Nick das kleine Tal erreicht hatte, zügelte er sein Ross. Trotz ihrer Familie und ihrer vielen Freunde schien Rosalind doch eine Einzelgängerin zu sein. Wie viele Stunden verbrachte sie allein in ihrem Zimmer. Auch machte sie ihre Spaziergänge immer ganz für sich. Nick konnte nicht glauben, dass sie am Abend den einen Mann begehrte und am anderen Morgen einen anderen. Zudem schien es ihm unwahrscheinlich, dass eine Frau von solch flinkem Verstand wie Rosalind verrückt nach einem Mann wie Wat Milford sein konnte. Vielleicht hatte Wat Einfluss auf sie, weil er im Bund mit den Schmugglern stand? Das Landvolk bewunderte entweder Schmuggler oder fürchtete sie. Vielleicht benutzte Rosalind die Schmuggler auch, um sich auf diesem Wege Branntwein und Wein für die Schenke zu beschaffen.
Ständig peinigte ihn der Gedanke, Rosalind könnte wissen, wer die Schmuggler waren. Von Zeit zu Zeit konnte der Gasthof als Treffpunkt benutzt werden, und sie hatte dabei vielleicht etwas aufgeschnappt. Ja, es gab in der Tat einige Fragen an Mistress Rosalind zu richten, aber keine davon bezog sich auf die Tatsache, dass sie und Wat Milford sich versteckt hinter Bäumen geküsst hatten. Doch es war wohl auch besser, sie erfuhr nicht, dass er ihr hatte nachspionieren lassen. Übers Ohr hauen ließ er sich indes auch nicht, nicht von einer Wirtin, nicht von so einer Person! Wenn er die Informationen nicht beiläufig aus ihr herauslocken konnte, musste er andere Töne anschlagen! Voller Zorn spornte er sein Pferd an.
Mit klirrenden Sporen hastete Nick in das Wirtshaus. Wie üblich legte sich Schweigen über die Schankstube, als er eintrat. Vom Flur aus sah er Rosalind mit ihrer Schwester in einer Kammer sitzen, deren Tür weit offen stand. Beide Frauen schienen überrascht, und Rosalind wurde weiß wie die Wand.
"Entschuldigt, Mistress Meg", sagte Nick und schob die Tür vollends auf, "aber ich habe noch einige Geschäfte mit der Eigentümerin des Gasthofes."
"Mylord, ich bin mir nicht bewusst, Euch zu mir eingeladen zu haben …", begann Rosalind.
"Ich habe mich selbst eingeladen." Nick betrat die Kammer, machte energisch die Tür hinter sich zu und lehnte sich dagegen.
Kalter Schrecken erfasste Rosalind, als Nick so unvermutet bei ihr eingedrungen war, doch sie versuchte, sich wieder zu beruhigen. Nichts Verräterisches lag auf dem Tisch, doch auf dem Boden standen einige kleine Weinfässer. Rosalind stützte die Hände in die Hüften und blickte den wütenden Eindringling an.
"Also dann sagt, was Ihr wünscht, und verlasst diesen Raum. Wenn Ihr wirklich ein feiner Herr wäret, würdet Ihr mich nicht derartig überfallen und erst einmal für den gestrigen Abend um Entschuldigung bitten."
"Warum? Ich bedaure nichts außer der Tatsache, dass wir gestört wurden." Er schaute sich im Zimmer um, in dem ein buntes Durcheinander herrschte. "Diese Kammer", stellte er fest, "ist ja in einem netten Zustand!"
Rosalinds Ärger steigerte sich. Nicht nur die Kammer, ihr ganzes Leben war in Unordnung, seitdem dieser Mann hier aufgetaucht war.
"Nicht jeder kann so vollkommen sein wie Ihr, Mylord. Ich arbeite hier. Und ich kann es ebenso wenig leiden wie Ihr, wenn man ungebeten bei mir eindringt."
"Ich fand es sehr erfreulich, als Ihr mir letzte Nacht ins Haus geschneit seid."
"Ich kann Eure Spöttelei nicht ausstehen. Und ich mag es auch nicht, wenn Ihr meine Schwester über meine Vergangenheit ausfragt. Das habt Ihr doch getan, nicht wahr?"
"Die Vergangenheit formt die Gegenwart. Aber ich bin es, der hier die Fragen stellt, Rosalind!" Nick zeigte auf sich, als ob Rosalind ihn nicht verstehen würde, doch dann ließ er schnell wieder die Hand auf den Degengriff sinken.
Beinahe hätte Rosalind ihm vorgehalten, dass er sie durch Delancey bewachen ließ. Doch sie wollte sich nicht die Hände binden, indem sie ihm zu verstehen gab, dass sie es bemerkt hatte. Ihre Knie wurden wieder weich, und sie konnte nicht mehr tun, als Nick einen scharfen Blick zuzuwerfen, während er stirnrunzelnd die Weinfässer betrachtete. Das Herz schlug Rosalind bis zum Halse. Er konnte sie nicht verdächtigen, und in Deal würde ihm auch niemand einen Wink geben. Sie hielten alle getreulich zusammen. Dafür würde sie ihr Leben aufs Spiel setzen – und vielleicht tat sie das bereits in diesem Augenblick.
"Ah, ein guter, süßer Wein! Genau diesen
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