Historical Exklusiv Band 06
scheint fort zu sein", sagte sie.
"Es sieht so aus", pflichtete Wat bei, immer noch ganz benommen von ihrem Kuss, "es hätte nichts geschadet, wenn wir noch ein bisschen glaubwürdiger gewesen wären."
Rosalind stieß ihn scherzhaft an, ohne ihm dabei einen Blick zu schenken. Erneut suchte sie die Gegend ab, doch niemand war mehr zu entdecken. "Wir müssen einen anderen hinschicken, um die Ladung zu überprüfen, sobald wir wissen, wo sich Spencer und Delancey aufhalten", sagte sie. "O Wat, du hast einen ganz roten Kopf, was fehlt dir?"
Er wandte sich ab. "Was tut man nicht alles für die gute Sache", erwiderte er ausweichend. "Rosalind, der Lauf der Dinge gefällt mir gar nicht mehr. Gestern Abend, als ich vom Strand zurückkam, hockte Percy Putnam bei mir zu Hause und wollte mit mir schwatzen, und heute lungert Delancey hier herum. Was ist, wenn Spencer und Putnam wegen der Schmuggelei zusammenarbeiten?"
"Das kann ich mir nicht vorstellen nach dem Auftritt zwischen den beiden."
"Vielleicht nicht. Aber wenn wir das nächste Mal nach Boulogne segeln, werde ich wohl brav in meinem Sudhaus sitzen bleiben. Und vielleicht solltest du einmal wieder deine Schwester in Sandwich besuchen. Wir beide müssen aus guten Gründen Spencer eine Zeit lang aus dem Wege gehen, bis sein Argwohn zerstreut ist."
"Da hast du sicher Recht", räumte Rosalind ein. Jedes Mal, wenn sie daran dachte, Nick wieder zu treffen, wurden ihr die Knie weich, und ihr Magen krampfte sich zusammen. "Inzwischen solltet ihr alle möglichst jede Nacht mit den Booten zum Fischen hinausfahren", schlug sie vor. "Und Nans zweite Niederkunft steht ohnehin bevor. Nur … ich habe das Gefühl, ich kann den Gasthof nicht unbeaufsichtigt lassen, solange der Lord Lieutenant nicht endgültig auf die Festung umgezogen ist."
"Aber wir sind ja auch noch da und werden auf dem Posten sein", versicherte Wat. "Geh jetzt wieder nach Hause. Ich werde aufpassen, bis ich weiß, dass du in Sicherheit bist."
Wat hatte es bis jetzt vermieden, sie anzusehen. Rosalind klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und stieg den kleinen Hügel hinauf. Doch selbst mit dem wachsamen Wat im Rücken fühlte sie sich nicht mehr sicher vor Nick.
Wenn Rosalind indes bemerkt hätte, wie tief ihr alter Freund Wat von ihren nicht ernst gemeinten Küssen berührt war, wäre sie gleichermaßen überrascht und betrübt gewesen. Und wenn sie darüber hinaus geahnt hätte, dass noch ein weiterer Mann sein wachsames Auge auf sie gerichtet hatte, würde sie sich ernstlich Sorgen machen. Von seinem Lauerposten, flach ausgestreckt hinter einer Lücke im Gestein, hatte Roger Shanks ebenfalls alles beobachtet, einschließlich ihrer für Delancey bestimmten heuchlerischen Umarmung. Shanks war im Gegensatz zu Delancey Wat gefolgt und hatte von Anfang an den gesamten Ablauf des Vorfalls verfolgt. Percy Putnam würde sehr interessiert an seinem Bericht sein. Ob nun Wat ein Schmuggler war oder nicht, die schlaue Mistress Rosalind gab jedenfalls vor, seine Herzensdame zu sein. Und ohne Zweifel tat sie das, um die Eifersucht des Mannes anzustacheln, dem sie gestern Abend tatsächlich ein Stelldichein gewährt hatte, nämlich dem Lord Lieutenant der Veste Deal!
"Was hat sie getan?" brüllte Nick und stieß seinen Stuhl so heftig vom Tisch zurück, dass er um ein Haar Stephen Delancey getroffen hätte. Mit einem Krach flog er auf den Steinboden seiner Unterkunft in der Festung. "Mit Wat Milford? Himmel und Hölle! Das habe ich befürchtet." Er griff nach Degen, Umhang und Barett und galoppierte wenig später im Sattel seines schwarzen Streitrosses über die Zugbrücke.
Ein einfaches Landmädchen wie Rosalind kann mich nicht an der Nase herumführen, dachte er, mich, den Lord Lieutenant des Königs von England! Die Liebesränke bei Hofe und seine eigenen Erfahrungen mit dem schönen Geschlecht hatten ihn genug über die Frauen gelehrt, hatten ihn in die Lage versetzt, ihre Gedanken zu erraten und sie dementsprechend zu behandeln. Wahrscheinlich spielte Rosalind gerade die ländliche Version der Komödie, die die Hofdamen "das Ködern durch Eifersucht" nannten. Andererseits konnte er sich wiederum auch nicht vorstellen, dass Rosalind so verschlagen sein und so viel Kenntnis über den Umgang mit Männern haben sollte. Und natürlich war es geradezu lächerlich, auch nur einen Augenblick die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass eine Frau wirklich nur eine militärische Festung besichtigen und sich
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