Historical Exklusiv Band 06
Weibern!
Nick schlug die Vordertür hinter sich zu und entdeckte Tante Bess, die das Viehzeug in dem Verschlag neben dem Haus fütterte.
"Guten Tag, liebe Frau. Ihr habt wohl auch nicht gehört, wann die Hausherrin zurückzukehren gedenkt?"
Die Alte fuhr zusammen. "O Mylord, guten Tag. Kein Sterbenswörtchen haben wir mehr von ihr erfahren, seitdem Percy Putnam die Nachricht gebracht hat, dass Nan am Dienstag niedergekommen ist."
"Ich nehme an, dass Rosalind noch andere Freunde in Sandwich hat, die sie dort festhalten?"
"Ein paar schon, denke ich." Tante Bess kniff die Augen gegen die tief stehende Sonne zusammen und wartete schweigend ab, was Nick weiter zu sagen hatte, obwohl sie von Natur aus eher schwatzhaft war.
"Ich werde ein paar Tage in Sandwich bleiben und könnte Rosalind dort aufsuchen. Ihr Schwager ist Schuster, nicht wahr, in der Nähe vom Hafen?"
"O ja, und er macht auch wunderbare Handschuhe, Mylord, feinstes spanisches Leder. Ihr solltet ein Paar kaufen …"
"Spanisches Leder? Schwer zu bekommen in diesen Zeiten."
Tante Bess wandte sich den Schweinen zu und schüttete das restliche Futter in den Trog. "Schon möglich, Mylord. Entschuldigt mich jetzt. Ich muss an die Arbeit. Ihr kennt doch den alten Spruch: Männer arbeiten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, aber die Arbeit einer Frau ist nie getan. Sagt Rosalind, dass ich sie vermisse. Auf Wiedersehen, Mylord." Sie eilte ins Haus.
"Genauso unverschämt wie die Nichte", murmelte Nick, während er sein Ross in Richtung Sandwich lenkte. Die Tante vermisste Rosalind? Zur Hölle, widerstrebend musste er sich eingestehen, dass er die schöne Wirtin auch vermisste. Das über die Arbeit der Frauen traf auf Rosalind im vollen Umfang zu. Er bewunderte ihren Eifer. Bis spät in die Nacht rackerte sie sich ab. Oft genug hatte er noch zu später Stunde Licht gesehen. Doch ging es dabei bloß um die Belange des Gasthofes, oder war sie dort mit Männern zusammengetroffen, die ihr verbotenes Handwerk nur bei Nacht trieben?
"Komm, alter Junge", sagte Nick und drückte dem Pferd leicht die Sporen in die Flanken. "Wir besuchen jetzt eine gewisse junge Frau und werden nachsehen, was sie gerade treibt. Hoffentlich überraschen wir sie nicht auch dabei, wie sie insgeheim jemandem in den Armen liegt. Los, Junge!"
Rosalind hatte Sehnsucht nach Deal, doch sie fürchtete sich davor, dorthin zurückzukehren. Nicht, dass sie Angst hatte, Nicholas Spencers Fragen würden ins Schwarze treffen, und auch nicht, weil sie ihn hasste. Unglücklicherweise war das Gegenteil der Fall. Tag und Nacht, bei der Hausarbeit, beim Warten des Säuglings, bei den unwillkommenen Besuchen von Percy Putnam – immer vermisste sie diesen herrischen, streitsüchtigen königlichen Vasallen und schreckte vor dem Gedanken zurück, sie könne das allzu deutlich zu erkennen geben!
Mit ihrem fünf Tage alten Neffen im Arm saß Rosalind am Fenster. Von den Räumen über der Werkstatt des Schuhund Handschuhmachers Morris Dalton konnte man den ganzen Hafen überblicken. Der arme Morris wäre durch das königliche Einfuhrverbot ruiniert worden, hätten ihm die Schmuggler nicht hin und wieder spanisches Leder verschafft. Mit den nächsten Lieferungen wurden wieder fünf Korduanhäute für den Schwager erwartet. Das warme Sonnenlicht machte schläfrig, und Rosalind wiegte das Kind und sang dabei leise ein Kinderlied.
"Was singst du, Rosalind?" Nan kam mit den Tellern zum Mittagessen ins Zimmer. "Du siehst aus, als ob du träumst."
"Ich bin etwas schläfrig, liebe Schwester."
"Du hattest so einen abwesenden Ausdruck in den Augen. Irgendwie bist du verändert, und ich könnte schwören, es hängt mit jenem Mann zusammen." Die Schwestern hatten sich über Nicholas Spencer unterhalten, und seitdem hieß er bei ihnen nur "jener Mann".
"Es ist nicht so, wie du denkst!" Rosalinds erregte Stimme machte den Säugling wach.
"Ich bin mir aber sicher, dass du die ganze Zeit weder an Wat Milford denkst noch an Percy Putnam." Nan hatte schon immer offen ausgesprochen, was sie dachte.
"Natürlich nicht! Wat und ich sind gute Freunde, was ich von Percy Putnam und mir nicht behaupten kann, trotz der Geschenke, die er meinem neuen Neffen mitgebracht hat."
"Dann habe ich also Recht!" Nan begrüßte ihren hoch aufgeschossenen rothaarigen Eheliebsten, der die Stiegen von der Werkstatt emporschlurfte, mit einem Kuss. Gut, dass Morris gekommen ist, dachte Rosalind. Sie nahm den vierjährigen Andrew bei der
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