Historical Exklusiv Band 06
heimzubegleiten?"
"Ich bin gekommen, um …" Er entwand ihr das Messer mit seiner behandschuhten Hand. "… um Euch dieses gefährliche Ding abzunehmen und um Euch zu begleiten, in der Tat. Allerdings nicht zurück nach Deal. Wir werden zusammen eine kleine Reise machen, und dabei könnt Ihr anfangen, mir endlich die Wahrheit zu sagen. Am besten, Ihr beginnt gleich mit diesem Franzosen."
"Ein Kunde von meinem Schwager, den ich auf seinen Wunsch hier abgesetzt habe." Rosalind begann zu zittern. Sie fürchtete den entschlossenen Blick in Nicks durchdringenden dunklen Augen. An seiner Halsader erkannte sie den heftigen Pulsschlag, und sein Gesicht schien wie aus Stein gemeißelt.
"Mylord, was für eine Reise?!"
Wortlos zog Nick Rosalinds Reittier hinter sich her, herunter von der Straße und einen kleinen Abhang hinab. Hier sprang er schnell aus dem Sattel und hob Rosalind ebenfalls herab. Von der nächsten Biegung eines schmalen Pfades näherte sich ein Mann und nahm die beiden Tiere in Empfang.
Nick nahm Chestnut die Satteltasche ab und warf sie sich zu seiner eigenen über die Schulter. Rosalind fiel auf, dass er anders gekleidet war als sonst. Er sah jetzt beinahe aus wie ein Wegelagerer mit seinem abgetragenen Lederwams über einem rauen Hemd und einer Seemannsmütze.
Mit festem Griff führte er Rosalind den gewundenen Pfad hinab zum Strand. "Wir machen einen kleinen Ausflug nach Frankreich", sagte er. "Ihr scheint eine Frau zu sein, die die Seefahrt liebt und anscheinend auch geheimnisvolle Franzosen. Es hat keinen Sinn, Einspruch zu erheben. Ich kann Euch die königliche Order zeigen, die es mir erlaubt, jedermann in Verhaft zu nehmen. Ich bin entzückt, diese Haft mit Euch teilen zu können und noch manches andere in den nächsten Tagen."
"Verhaft?" stieß Rosalind hervor. "Was soll ich mit Euch teilen?"
Sie schaute ihn fassungslos an. Das durfte nicht wahr sein! Sie befand sich wohl in einem Albtraum! Er entführte sie – mit nicht weniger als des Königs höchsteigener Erlaubnis! Sie machte sich nichts vor. Er tat es keinesfalls um eines amourösen Abenteuers willen. Er hatte gesehen, wie sie mit Pierre sprach, und verdächtigte sie nun doch. Wenn er auch nichts Genaues wusste, würde er doch mit allen Mitteln versuchen, auf der Reise auch das letzte Geheimnis aus ihr herauszuholen.
Sie versuchte, sich steif zu machen, doch sie glitt auf dem mit Kieseln übersäten Sandweg aus und fiel gegen seine Schulter. Nick packte Rosalind fester. Sein schwarzer Umhang flatterte wie die Flügel eines riesigen Vogels um sie. Mit der anderen Hand wies er zum Meer. Ein kleiner zweimastiger Segler, kein Boot aus Deal, bewacht von vier Männern, erwartete sie. Einen Augenblick ergriff Rosalind Entsetzen bei dem Gedanken, Nick könnte Pierre und seine Mannschaft entdeckt haben, doch dann bemerkte sie, dass es seine eigenen Leute waren.
"Ich komme nicht mit!" rief sie, doch der Wind verwehte ihre Worte.
"Wenn Ihr wollt, dass ich Euch an Bord trage und Euch dort festbinde – das könnt Ihr haben", entgegnete Nick mit eiskalter Ruhe.
Rosalind erkannte, dass sie in der Falle saß. In ohnmächtiger Wut stieß sie hervor: "Ich will Euch die Wahrheit sagen, Mylord. Ich habe Euch schon immer verabscheut, und jetzt hasse ich Euch noch mehr."
Zu ihrer Verwunderung glitt die Spur eines Lächelns über seinen Mund. "Das ist es, was ich mir von Euch wünsche, meine Süße, die Wahrheit. Doch was den Hass anbetrifft – ich habe eigentlich einen ganz anderen Eindruck."
Wieder zog er sie hinter sich her. Rosalind wusste, dass sie keine andere Wahl hatte, als sich so tapfer wie möglich, ja, sogar so aufsässig wie möglich ihrem Schicksal zu stellen. Mit gleichmäßigen Schritten, aufrecht und unnahbar folgte sie Nick und war entschlossen, sich weder folgsam zu geben noch verführen zu lassen. Doch das Gefühl, das jetzt in ihr aufstieg, war nicht Hass, sondern die staunende Erkenntnis, dass Nick nun doch ihr geliebter Feind geworden war.
Roger Shanks, der Bedienstete Putnams, musste sich auf Händen und Knien vorwärts bewegen, bis er eine Stelle in den Felsen gefunden hatte, von der aus er das Meer gut überblicken konnte. Er hatte nur die Absicht gehabt, in einigem Abstand hinter Mistress Rosalind herzureiten, als sie das Haus ihrer Schwester verlassen hatte. Master Putnams verkrüppeltes Bein schmerzte ihn heute so sehr, dass er seinen Gehilfen mit Geschenken zur Familie Dalton geschickt hatte. Wie konnte Shanks
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