Historical Exklusiv Band 06
mit sich hinab zum Strand, während seine Männer die anderen Frauen vor sich hertrieben. Wie mit Eisenklammern hielt Nick Rosalinds Arm fest und zwang sie, ihn anzusehen.
"Nun, hat die kleine Zusammenkunft Spaß gemacht? Wie stand es doch in Euerm Antrag … da ich den armen Frauen ein paar bescheidene Weihnachtsgaben zukommen lassen möchte … Ihr vergaßet jedoch, mir mitzuteilen, dass diese Gaben aus Frankreich geschmuggelt waren, Mistress Barlow! Versammelt sie hier um mich", befahl Nick und hob seine Stimme. "Hört zu! Ich werde meine Fragen nur einmal stellen, und bei dem geringsten Anzeichen von Zögern oder gar Widerstand droht Arrest. Ich fordere jetzt alle Namen der Schmugglerbande. Wenn ihr sie nicht preisgebt, werde ich andere Maßnahmen ergreifen. Dann werdet ihr und eure Männer noch in dieser Stunde Bekanntschaft mit den Kerkern der Festung machen! Mistress Barlow, von Euch will ich den ersten Namen hören", sagte Nick herausfordernd. Seine Stimme war so selbstgefällig und so sicher, dass Rosalind es kaum ertragen konnte. Ganz dicht stellte er sich vor sie hin, und die Laterne warf teuflische Schatten auf seine unbeweglichen Züge. "Nun gut, so soll ich sie also alle einsperren?" stachelte er sie weiter an, als sie ihn nur wortlos anblickte.
"Obwohl ich keine anderen Namen nennen kann, gestehe ich, dass ich ein Mitglied der Schmugglerbande bin. Diese Frauen hier wurden aber nur von mir angestiftet, um heute Abend die Waren auszuladen", erklärte Rosalind schließlich.
"Na endlich", erwiderte Nick.
Für einen Augenblick erschien es Rosalind, als schimmerten Tränen in seinen Augen, doch das mussten Wind und Schneeregen gewesen sein. Ihre Glieder waren wie Blei. Sie hätte nicht fliehen können, auch wenn ihr Leben davon abhinge – und vielleicht stand das wirklich auf dem Spiel. Sie müsste Nick verständlich machen, was das alles für sie, für die Leute von Deal bedeutete, doch sie wusste, dass sie ihm nie ihre Rachegefühle gegenüber dem König erklären konnte. Nick sah in ihm die Krone der Gerechtigkeit – und seinen Gönner. Er hatte zwar eingeräumt, dass der Befehl zur Zerstörung der Fischerboote ein Fehler, vielleicht auch nur ein Missverständnis gewesen war, aber er würde niemals etwas auf seinen verehrten König kommen lassen.
"Und du da, Weib", Nick wies auf Hals Ehefrau Hester, die hinter Rosalind stand. "Der nächste Name eines Schmugglers!"
"Hester Deland. Obwohl ich keinen anderen Namen nennen kann, gebe ich zu, dass ich ein Mitglied der Schmugglerbande bin", wiederholte sie getreulich Rosalinds Schuldbekenntnis.
Nick wandte sich ab und ging zu Charles Seabrooks Schwester Alice, die Charles' Frau Clare an der Hand hielt. "Und du, einen Namen, Weib, den Namen eines Mannes!"
"Ich, Alice Marlow, bin ein Mitglied der Schmugglerbande", entgegnete sie, und ihre Stimme zitterte in dem rauen Wind.
"Und ich, Clare Seabrook, auch."
Ein Schauer überlief Rosalind. Diese Frauen standen ihr zur Seite! Doch sie hatten so viel mehr zu verlieren als sie. Sie hatten Kinder, für die sie sorgen mussten, und sie waren viel enger verbunden mit den in Gefahr schwebenden Männern. Dennoch machten sie ihr keine Vorwürfe, sondern teilten mutig das Los mit ihr. War diese verzweifelte List wirklich einen Versuch wert? Rosalind fürchtete, dass die meisten der Schmuggler sich selbst in der Festung stellen würden, wenn sie von dem kühnen Wagnis der Frauen erfuhren. Doch vielleicht wäre Nicks Zorn zu beschwichtigen, wenn man ihn glauben machte, dass die Frauen die Schmuggler waren? Seine Order hatte angekündigt, dass er die Männer in Haft nehmen werde! Aber ehe sie sich entscheiden konnte, wie sie weiter verfahren sollte, hatte Nick herrisch ihren Arm ergriffen.
"Und der Anführer dieser Bande?" verlangte er barsch und zog sie so ungestüm zur Seite, dass ihre Füße fast den Halt in dem feuchten Sand verloren.
"Ich bin die Anführerin! Ich allein bin voll verantwortlich und …"
"Nein, ich bin es!" rief Ned Stones Eheweib dazwischen. "Ich trage die Verantwortung!"
"Nein, ich!" stimmte Hetty Deland ein.
"Nein, ich! Nein, ich!" ertönte ein Gewirr von Stimmen hinter Rosalind.
Gott segne die Freundinnen; die tapferen Frauen von Deal! Rosalind stiegen die Tränen der Freude und des Stolzes in die Augen. Doch Nicks Griff war so hart, dass ihr Arm begann, gefühllos zu werden.
"Nun, das wird sich herausstellen", murmelte er. Dann wandte er sich um und rief seinen Männern zu: "Bringt diese
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