Historical Exklusiv Band 06
sie nicht einmal bemerkt, dass dieser sie liebte. Der Kerl müsste gehängt werden wegen des Mordversuchs und Rosalind mit den anderen Männern aus Deal ins Gefängnis nach Sandwich gebracht werden. Dann sollte er, Nick, diesen humpelnden Percy Putnam rufen lassen und ihm mitteilen, dass sein Hinweis auf Rosalinds Vater zu Rosalind selbst als dem eigentlichen Kopf des rechtswidrigen Handelns in Deal geführt hatte. Danach könnte er dem König schreiben, dass der Schmugglerring zerschlagen wurde, und sich in seiner Gunst sonnen. Und zu guter Letzt würde er Penelope, seine Anverlobte, davon in Kenntnis setzen, dass er unverzüglich die Trauung wünschte, nachdem er Anna von Cleve zum König nach Greenwich geleitet hatte.
Doch nichts von alldem würde Nick tun, denn er liebte Rosalind, und die widerspenstigen Leute von Deal hatten seine Achtung gewonnen. Es war ihm wichtig geworden, dass sie überlebten und gediehen, und nicht nur, weil sie der Festung von Nutzen sein konnten, von der möglicherweise Englands Zukunft abhing. Er brauchte jetzt Zeit, um nachzudenken und Pläne zu machen, und er brauchte auch Rosalinds Wohlwollen. Doch er würde wohl ohne ihre Unterstützung auskommen müssen, wenn es ihm nicht gelang, sie davon zu überzeugen, dass er nur das Beste für sie und Deal im Sinne hatte.
"Komm mit", sagte Nick, stand auf und ergriff Rosalinds Arm.
"Muss ich in den Kerker?"
"Ich will nicht, dass du durch das Gitter hindurch mit Wat weiter Unruhe schürst, und außerdem brauche ich dich in meiner Nähe für die kommenden Verhöre. Wenn du mich so aus tiefstem Herzen verabscheust, wie du behauptet hast, wird meine Nähe vielleicht eine schlimmere Strafe für dich sein als der Tod."
"Ich will nicht hier bei dir bleiben!" begehrte Rosalind auf, als Nick auf das schmale Bett zuging.
Mit Nicks Fassung, die er mit aller Kraft zu bewahren versucht hatte, war es vorüber. Er packte Rosalind bei den Oberarmen und hob sie in die Höhe. "Du wirst bleiben, wo ich dir befehle, und alles tun, was ich sage", knirschte er. "Ich kann dir nicht vertrauen, Rosalind – ich möchte, aber ich kann nicht!"
Langsam ließ er Rosalind an seinem Körper entlang wieder zu Boden gleiten, ehe er erkannte, dass sie offensichtlich befürchtete, er wollte sie ins Bett holen. Diese Einsicht und seine heftige körperliche Reaktion auf ihre Nähe dämpften seinen Zorn. Durch ihre Männerkleidung hindurch – ohne die vielen schweren Röcke und das steife Mieder – hatte er die vertrauten sanften Rundungen gespürt.
"Du kannst dich darauf verlassen, ich bin nur zum Bett gegangen, um ein paar Decken herauszuholen." Mit einer Hand öffnete er eine Kiste am Fußende des Lagers, während er mit der anderen Rosalind weiter festhielt. Er zerrte zwei dicke wollene Decken heraus und schob sie ihr in die Arme. "Der Boden ist zweifellos hart und kalt", sagte er und kämpfte dabei mit dem Verlangen, Rosalind wirklich bei sich zu behalten.
Dann hob er den Strohsack aus seinem Bett, so dass nur das Geflecht aus Hanfstricken zurückblieb, und führte Rosalind zu der schmalen Tür, die seine Kammer mit dem winzigen Nebengelass verband. Mit einem Schwung warf er den Strohsack hinein. Es war stockdunkel und verdammt kalt darin.
"Ich schicke morgen nach Kleidern für dich", sagte Nick. "Aber Besuche von draußen wird es nicht geben. Und da morgen auch die Tage des Christfestes beginnen, kannst du an jedem ein ganz besonderes Geschenk für dich erwarten – meinen Besuch!"
Er legte seine Hände um Rosalinds Hals wie einen großen warmen Kragen und schob sie rückwärts in das Kämmerchen. Mit Nachdruck schlug er die Tür hinter ihr zu. Der Knall hallte von den dicken Mauern wider.
Müde ließ sich Nick in einen Stuhl vor dem nur noch schwach brennenden Kaminfeuer fallen und stützte den Kopf in seine Hände. Der Gedanke, dass Rosalind nebenan frieren würde, war nur schwer zu ertragen, doch sie war zäh – zäher als er selbst, das hatte sie schon unter Beweis gestellt, bis jetzt. Doch nun würde er den Spieß umdrehen. Jetzt musste er sie überreden, ihm alles zu sagen. Die Nachricht von ihrer Arretierung würde sich in Windeseile verbreiten, und Percy Putnam wusste ohnehin immer alles, was in Deal vor sich ging. Wahrscheinlich galt das auch für den verhassten Berater des Königs, Thomas Cromwell. Aber es musste einen Weg aus dieser Wirrnis geben, einen Weg, sich selbst und Rosalind gleichermaßen zu retten.
Rosalind stand bewegungslos in der
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