Historical Exklusiv Band 06
hatte.
Als sie Nick vor dem Altar stehen sah, da verschwamm alles andere um sie: das strahlende Brautpaar, die feierlichen Bibelworte, die leise schniefende Muhme, der helle Sonnenstrahl, der durch die blau und rot gemusterten Kirchenfenster fiel und die Hochzeitsgesellschaft in purpurnes Licht tauchte.
Für Rosalind gab es nur noch Nick. Es war wie ein Traum: Nick, so groß und stattlich und auch so ernst – Nick, der Mann, den sie so sehr hassen wollte und doch nur lieben konnte. Die Schlussworte des Priesters drangen wieder in ihren Wachtraum und brachten sie in die Wirklichkeit zurück.
Das glückstrahlende Brautpaar kam auf sie zu, dahinter Nick. Rosalind blickte wie unter Zwang auf Nicks wie aus Stein gemeißelte Lippen. Kein Lächeln bewegte sie. Aber sein Blick wanderte mutwillig über Rosalind hin, von den Füßen bis zum Knie, von der Taille zu den Brüsten, dann zu ihrem erröteten Antlitz und dem goldblonden, aufgesteckten Haar.
Plötzlich kam Rosalind die Erinnerung an das Liebesgedicht, das Franklin vor Wochen für Meg geschrieben hatte: "… ein Zittern geht durch Herz und Hand …" Gut, dachte sie, ich werde das Spiel dieses Schuftes wieder mitspielen. Vielleicht würde ihre Schwäche sie auch stark gegen ihn machen.
So betrachtete sie nun ihrerseits ihr Gegenüber, dreist und offenkundig verächtlich, von den Schuhspitzen bis zu dem blinkenden Topas an seinem Barett, das hochmütig erhobene Kinn und seine breiten Schultern, die schmalen Hüften. Er war wirklich ein Bild von einem Mann. Rosalinds Gedanken wanderten zu ihrer leidenschaftlichen Nacht in Boulogne. Doch dann erinnerte sie sich daran, wo sie sich befand, und wurde rot.
Franklin strahlte, und Meg weinte schon wieder. Arm in Arm schritten sie dann durch das Seitenschiff, und Rosalind wurde bewusst, dass sie und Nick dem jungen Paar folgen mussten. Nick reichte ihr den Arm. Am liebsten hätte sie ihn zurückgewiesen, doch wegen Meg – und auch wegen Franklin – legte sie ihre Hand leicht auf Nicks Unterarm und schritt hocherhobenen Hauptes an seiner Seite zum Ausgang.
Auf einmal ergriff sie der Wunsch, wie sinnlos er auch sein mochte, sie und Nick hätten eben vor dem Traualtar gestanden. Ihre Hochzeit mit Murray war auch hier gesegnet worden, doch damals hatte es keine Schwierigkeiten gegeben. Wie anders wäre es dagegen, wenn sie und Nick wirklich heiraten wollten. Schier unüberwindliche Hindernisse gälte es zu bewältigen. Nein! Nie wieder würde sie heiraten. Ihr blieb nur das eine: Deal zu helfen, über den harten Winter zu kommen. Sie hatte stark zu sein, bis Nick wieder davonzog und bessere Zeiten kamen.
Zu Rosalinds Erleichterung verweilten Nick und Kapitän Delancey nur für kurze Zeit bei dem Hochzeitsmahl im Gasthof – kaum lange genug für Nicks Trinkspruch und die Übergabe einer gefüllten Geldkatze an das glückliche Brautpaar. Dann verabschiedete sich Nick bereits wieder und küsste die Braut leicht auf die Wange. Sein Blick suchte Rosalind, die mitten im Schankraum stand und keinerlei Anstalten machte, auf ihn zuzugehen. Nach einem grüßenden Griff an die Kappe verließ Nick die fröhliche Gesellschaft. Doch anstatt erleichtert zu sein, fühlte sich Rosalind nun leer und verlassen. Zum Glück gab es viel zu tun für sie, so dass sie sich ihren Gefühlen nicht lange überlassen konnte. Halb Deal war geladen und natürlich alle Steinmetzgesellen. Bier und sogar Wein flossen in Strömen, Brot und Braten gab es reichlich. Die Stimmung wurde immer ausgelassener und übermütiger. Man feierte bis zum Morgengrauen, während Meg und Franklin sich bald in ihre Kammer zurückzogen.
Franklin und die Bauleute hatten nur einen Tag freibekommen, ohnehin eine hohe Gunst Nicks. Es wurde mit großer Anstrengung an der Fertigstellung der Festung gearbeitet, da um Weihnachten hoher Besuch zu erwarten war.
Nur noch kurze Zeit bis zum Christfest, dachte Rosalind, warf einen Blick auf die geschlossene Kammertür und ging seufzend über den Flur zu ihrem eigenen Zimmer. Es würden keine sehr frohen Festtage werden. Nicks Gegenwart und der Hausarrest der Leute von Deal machten Rosalind schwer zu schaffen.
Sie rief sich Nicks Drohung ins Gedächtnis, dass jeder Mann, der nach Sonnenuntergang auf der Straße angetroffen wurde, Wat im Kerker Gesellschaft leisten würde. Einige der Schmuggler hatten sich schon bereit erklärt, diesem Gebot zuwiderzuhandeln, zumal die Nachricht angekommen war, dass Pierre in der nächsten Woche mit
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