Historical Exklusiv Band 06
Abschiedsgruß verlassen hatte. Offensichtlich war der Kerl vom Teufel geritten und beanspruchte seinen Anteil an dem Ruhm, die Schmuggler aufgestöbert zu haben. Sein Wink, dass er von Nicks Reise nach Frankreich wusste … Nein, es war undenkbar, dass Rosalind oder irgendjemand sonst ihn davon unterrichtet hatte. Er musste einfach davon ausgegangen sein, dass es für die Schmuggler unumgänglich war, wenn sie Waren aus Frankreich beziehen wollten.
Auf einem anderen Weg kehrte Nick zu seinem Quartier zurück. Er hatte jetzt mehr im Kopf als nur einen Percy Putnam. Es ging um Rosalind Barlow. Heute Abend würden die Würfel fallen, und es war beim besten Willen nicht vorauszusagen, wen sie begünstigten.
Rosalind legte wegen der Kälte ihren Umhang über das grüne Gewand. Man hatte ihr Winterbekleidung gebracht und bereits zwei warme Mahlzeiten. Demzufolge hatte ihr Kerkermeister zumindest nicht die Absicht, sie durch Hunger und Zähneklappern zum Reden zu bringen. Mit vier kurzen Schritten hin und zurück durchmaß sie die winzige Kammer.
Durch die kleine Fensteröffnung hoch oben in der Außenwand konnte sie sehen, wie die Dunkelheit hereinbrach. Heute war Heiligabend, der erste Tag des Weihnachtsfestes, und Nick hatte angekündigt, dass sie ihn jeden Tag sehen werde. Bis jetzt hatte sie jedoch nur Kapitän Delancey zu Gesicht bekommen, als er die Mahlzeiten brachte und ihre warmen Kleider, die Meg für sie herausgesucht hatte.
Gestern Abend am Strand hatte Rosalind noch allen zugerufen, sie sollten nichts zugeben. Sie überlegte, ob Nick wohl gerade unterwegs war, um halb Deal in den Kerker zu werfen. Was für ein schrecklicher Christabend, an den sie doch so frohe und glückliche Erinnerungen knüpfte! Nun würde sie ihn zum ersten Mal allein verbringen in Bedrängnis und Angst – ganz nahe bei dem Menschen, den sie am meisten auf der Welt liebte und doch verloren hatte.
Wie viel Kummer das törichte Herz doch verursachen kann, dachte Rosalind. Es war ihr plötzlich in den Sinn gekommen, dass sie und Nick ein Recht darauf hätten, beisammen zu sein, und dass ihre Liebe zu ihm alles in einem anderen Licht erscheinen lassen würde. Rosalind seufzte. Sie, die in ihrem Leben die Wahrheit immer so hoch geschätzt hatte, war zur schlimmsten Lügnerin und Betrügerin geworden. Dass sie Percy Putnam all die Jahre hinters Licht geführt hatte, schien wenig zu zählen. Doch bei Nick wurde alles so schwierig, so folgenschwer, so …
Ein Geräusch war an der Tür zu hören. Rosalind fuhr herum, als geöffnet wurde. Nick stand im Türrahmen, seltsam elegant in einem dunkelgrünen, geschlitzten und mit Goldbrokat unterlegten Samtwams, dem passenden Barett, schwarzen Hosen und hellen Lederschuhen.
Trauliche Wärme drang aus dem hellen Zimmer hinter ihm. Der goldene Schein des flackernden Kaminfeuers warf lange Schatten. Rosalind schnupperte den würzigen Duft von Föhrenzweigen und den süßen von Wachskerzen, und sie war sich sicher, dass sich dazwischen der Geruch von Speisen mischte, wie von frischem Brot, Braten vielleicht und gewürztem Pökelfleisch. Tränen stiegen ihr in die Augen bei dem Gedanken an alles, was sie entbehren musste und nie mehr haben würde. Das Glück, sich mit einem geliebten Mann und gemeinsamen Kindern friedlich der Feiertage zu erfreuen. Trotzig warf sie den Umhang ab, um zu zeigen, dass sie weder erfroren noch besiegt war.
"Ich sehe, Ihr habt Euch umgekleidet", sagte Nick und lehnte sich mit der Schulter gegen die Türfüllung, um seine Gefangene zu betrachten. Sein Blick schien den Raum zu erhellen und ihr Blut in Wallung zu bringen. Dann wandte er sich wieder zurück zu seinem Gemach und winkte ihr zu folgen. Langsam und mit Spannung näherte sich Rosalind der Tür.
"Bitte, macht uns die Freude Eurer Gesellschaft, Mistress Barlow", fuhr Nick fort, und sein Lächeln erstrahlte voller Freundlichkeit in dem hellen Kerzenschein. Es schienen noch andere Gäste im Raum zu sein, doch Rosalind sah nur Nick. "Zum Weihnachtsabend, für uns gedeckt", flüsterte Nick ihr zu. "Ich bin sicher, du wirst die köstlichen Speisen nicht wieder aus dem Fenster werfen."
Rosalind blinzelte und spähte um Nick herum. Einige große Holzkloben knisterten im Kamin. Ein Damasttischtuch und Schüsseln voller dampfender Speisen bedeckten den Tisch, und nahe der Tür standen Franklin und Meg, befangen, Hand in Hand. Erwartungsvoll beugten sie sich vor, als seien sie gespannt darauf, was Rosalind sagen und tun
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