Historical Exklusiv Band 06
fortzuschaffen."
"Sie können ihn doch nicht hier zurücklassen! Und auch nicht meinen Vater."
"So lautet aber der Befehl des Kapitäns, Mädchen."
"Ich werde nicht ohne meinen Vater von hier fortgehen", versicherte sie mit einem Unterton von Verzweiflung. "Wenn es sein muss, springe ich über Bord und schwimme an Land."
Sie wussten beide, dass dies eine leere Drohung war. Burke würde sie in der Kapitänskajüte einschließen oder sie an den Mast fesseln, wenn sie etwas so Dummes auch nur versuchte. Doch es entging Sarah nicht, dass sich ihre eigenen Empfindungen in den Augen des Maats widerspiegelten, und ihr Unbehagen verwandelte sich in Furcht.
7. Kapitel
Als James mit seinem kleinen Trupp Dong Lo erreicht hatte, erkannte er, dass sie von Glück würden sagen können, wenn sie hier mit dem Kopf auf den Schultern wieder herauskamen.
Die Einwohner der kleinen Provinzhauptstadt waren beim Abendessen. Die Straßen lagen verlassen da, und die Luft war erfüllt vom Duft nach gebratenem Fleisch und allerlei Gewürzen. Trotz dieser scheinbaren Häuslichkeit war hier nichts von dem lauten, heiteren Geplapper zu hören, das James stets mit den geselligen Chinesen in Verbindung brachte. Er hörte nicht den Singsang der Gespräche zwischen den bezopften Männern, keine scheltenden Mütter, keine lachenden Kinder.
Stattdessen vibrierte die Luft vor Spannung. Einige der Einwohner kamen aus ihren Häusern, sprachen leise miteinander und sahen zu, wie die Fremden den Hauptplatz erreichten, der von einer Pagode mit vielen Dächern beherrscht wurde. Das untere Stockwerk des Tempels war zu allen vier Himmelsrichtungen hin offen. Durch die rot gestrichenen Säulen sah James Opfergaben auf Reispapier vor dem Altar liegen – und auf dem Boden die zerschmetterten Stücke einer riesigen Statue, die einst wohl Kuan Yin dargestellt hatte, die beliebteste Göttin in ganz China.
Das Werk von Reverend Mr. Abernathy, dachte James, und seine ohnehin schon gereizten Nerven waren von nun an zum Zerreißen gespannt.
Während die Chinesen den Fremden durch die Spuren der Zerstörung folgten, wurde das allgemeine Gemurmel immer lauter.
"Bleibt zusammen, Männer", flüsterte James.
Er ließ den Blick kurz über seine Mannschaft hinwegschweifen. Sie hielten Entermesser und Dolche griffbereit und hatten die Schusswaffen gespannt. Der Afrikaner bildete den Schluss der Gruppe. Vielleicht würden seine Statur und sein von Narben gezeichnetes Gesicht die Bewohner Dong Los veranlassen, sich einen Angriff zweimal zu überlegen.
Endlich näherten sie sich der Residenz des Mandarins, die auf einem Vorsprung am nördlichen Ende des Plateaus lag. Eine Mauer trennte die Gebäude von der kleinen Stadt. Durch Wang Er ließ James dem Anführer der Hauswache ausrichten, dass er mit dem Ausländer sprechen wollte, der gekommen war, um den Herrn dieser Gegend zu besuchen. Man teilte ihm knapp mit, er sollte am Torhaus warten, und so legte James die Hand an sein Messer und sprach mit seinen Männern. Dabei ließ er die Residenz nicht aus den Augen und suchte mit geübtem Blick nach einem Fluchtweg, falls es nötig werden sollte, einen zu benutzen.
Die Residenz war in der traditionellen chinesischen Bauweise errichtet worden. Zu der von einer Mauer umgrenzten Anlage gehörten Dutzende von kleinen Gebäuden, die alle an einer Hauptachse standen und durch überdachte Gänge miteinander verbunden waren. James wusste, dass in der Mitte ein Garten lag, mit Springbrunnen, Fischteichen und Blumenbeeten. Alle Mauern waren in hellen Farben gestrichen. Wolken, Blumen und alle Arten von Fabelwesen schmückten Säulen, Balken und Fenstersimse. Sogar die Ziegelsteine waren mit Motiven verziert.
Plötzlich tauchten mehrere Männer aus der Dunkelheit auf.
Der Reverend Josiah Abernathy wirkte neben seinem Gastgeber wie ein finsterer Schatten vor diesem fantastischen exotischen Hintergrund. Groß, hager und mit dunklem Vollbart, gekleidet in einen schwarzen Gehrock und eine dunkle Hose, erinnerte er an einen großen Raben.
Hwang-Shi, ein zierlicher älterer Herr, trug farbenprächtige Seidenroben und die schwarze Kappe mit dem roten Glasstein, die seinen Rang bezeichnete. Aber es waren die Söhne des Mandarins, die James' Blick während der Begrüßungszeremonie auf sich lenkten. Einer der beiden schien fast so alt und zerbrechlich zu sein wie sein Vater. Der andere war sehr viel jünger und in die abgetragene Lederrüstung eines erfahrenen Kriegers gekleidet. Er
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