Historical Exklusiv Band 06
stand ein paar Schritte entfernt, als wollte er sich von den Barbaren ebenso distanzieren wie von seinem Vater.
Als die höfliche Begrüßung vorüber war, stellte der Missionar ängstlich eine Frage.
"Hat der Bote Ihre Nachricht richtig übermittelt, Straithe? Bringen Sie eine Botschaft von meiner Tochter Sarah?"
"Das stimmt", erwiderte James.
Der Reverend runzelte die Stirn. "Ist etwas nicht in Ordnung? Ist sie oder eines meiner anderen Kinder in Schwierigkeiten?"
"Das nicht, abgesehen von dem Umstand, dass Sie sie sich selbst überlassen haben, während Sie hier Ihre Pfarrstelle aufs Spiel setzen und sogar Ihr Leben in Gefahr bringen."
Abernathy zog bei dieser Antwort die buschigen Brauen zusammen. Offensichtlich wurde er nicht gern an seine väterlichen Pflichten erinnert.
"Meine Tochter Sarah ist eine höchst selbstständige junge Dame. Sie hat schon viele Male für ihre Schwester und ihre Brüder gesorgt, während ich im Dienste des Herrn unterwegs war."
Aus dem Augenwinkel sah James eine Bewegung auf dem Hof. Es waren noch mehr Männer hereingekommen, alle in den wattierten Mänteln und der Lederrüstung der Krieger. Wie der zweite Sohn und die Stadtbewohner draußen, betrachteten sie die fremden Teufel mit unverhohlener Missbilligung.
James' Nackenhaare sträubten sich. Seine Erfahrung sagte ihm, dass ein Kampf bevorstand. Es fehlte nur noch ein winziger Funken, um eine Explosion auszulösen.
"Ihre Tochter möchte, dass Sie nach Hause kommen", erklärte er dem Missionar. "Und ich bin hier, um Sie abzuholen."
"Wie kommt es, dass Sarah einen Mann wie Sie schickt, damit er ihre Wünsche erfüllt?"
"Sie hat mich nicht geschickt", erwiderte James knapp. "Ihr nichtsnutziger Nachwuchs hat sich als blinder Passagier an Bord der Phoenix geschlichen und mich genötigt, nach Ihnen zu suchen."
Abernathy trat überrascht zurück. Man musste ihm zugute halten, dass er den Gedanken, jemand könnte den berüchtigten Lord Straithe zu etwas nötigen, was dieser nicht tun wollte, sofort verwarf. Mit einem Blick aus seinen klugen Augen musterte er den Mann, der ihm einst gedroht hatte, ihn über Bord und mit dem Kopf voran in die Bucht von Macao zu werfen, wenn er nicht auf der Stelle sein Schiff verließe.
"Sarah ist also bei Ihnen?" fragte er noch einmal nach.
"Das ist sie, und Sie gefährden ihr Leben, genauso wie Ihr eigenes, mit jeder Minute, die Sie Ihre Abreise weiter hinauszögern. Sehen Sie sich um, Mann. Die Hälfte der Leute hier im Hof lechzt nach unserem Blut."
Einen Augenblick lang fürchtete James, der Missionar könnte die Feindseligkeit nicht bemerken, die beinahe greifbar über ihnen zu schweben schien.
Abernathy mochte viele Fehler haben, doch ein Feigling war er nicht. Er begegnete dem kühlen Blick des jüngeren Sohns und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. James unterdrückte ein Stöhnen, als ein fanatischer Glanz in die dunklen Augen des Missionars trat.
"Ich fürchte keine heidnischen Götzenanbeter. Hwang-Shi folgt der einzig wahren Lehre, dem Wort Gottes, und wird Sorge tragen, dass seine Söhne, Frauen und Konkubinen dasselbe tun."
James betrachtete den zerbrechlich wirkenden Mandarin und glaubte nicht, dass dieser noch lange genug leben würde, um Sorge für irgendetwas zu tragen, schon gar nicht, wenn es seinen jüngeren Sohn betraf. Doch es war nicht nötig, den Missionar noch darauf hinzuweisen.
"Mein Werk hier ist vollbracht", schloss Abernathy feierlich. "Ich werde Sie auf Ihr Schiff begleiten und mit Ihnen nach Hause zurückkehren."
Als seinem Gastgeber diese Entscheidung übersetzt wurde, trat ein erleichterter Ausdruck auf dessen runzeliges Gesicht. Die Neuigkeit verbreitete sich rasch im Hof.
Unter geflüsterten Bemerkungen ging der Reverend davon, um die spärlichen Habseligkeiten zusammenzutragen, die er mitgebracht hatte. Während seiner Abwesenheit lag eine gespannte Atmosphäre über dem Hof. Trotzdem hätten die Fremden vielleicht noch unbehelligt davonkommen können, wenn Abernathy nicht die letzte Gelegenheit zu einer Ansprache genutzt hätte. In einer Mischung aus Englisch, Mandarin und Pidgin, das mit jedem Satz lauter wurde, erinnerte er Hwang-Shi an die schrecklichen Dinge, die jenen geschahen, die vom Glauben abfielen.
James fluchte leise und heftig und trat zu Abernathy, packte ihn am Arm und wollte ihn wegzerren. Er erreichte den Missionar einen Augenblick zu spät. Der Reverend deutete mit dem Finger auf Hwang-Shi und rief mit donnernder Stimme,
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