Historical Exklusiv Band 36
einer geraden Nase und einem energischen Kinn. Sie entdeckte keine missmutigen Züge darin, aber auch kein Lächeln, wodurch er verschlossen und wenig mitteilsam wirkte. Aber sie wusste, wie warm seine Lippen waren. Catherine errötete ein wenig, als sie sich daran erinnerte. Caldbeck nahm einige weitere Bissen seiner Mahlzeit zu sich, schnippte mit der Hand ein Paar Krümel von seinem taubengrauen Rock und wechselte das Thema.
„Ich würde mich freuen, wenn Sie heute bei einer Besprechung mit meinem Notar zugegen wären. Wir müssen die Verträge für Ihre Absicherung unterzeichnen.“
„Meine Absicherung! Gütiger Himmel, daran habe ich noch gar nicht gedacht. Sicher hat mein Onkel nicht …“
„Nein, auch darüber hat sich Maury keine Gedanken gemacht.“
Hatte seine Stimme nicht einen sarkastischen, ja sogar verächtlichen Unterton? Catherine war sich nicht sicher.
„Aus welchem Grund wollen Sie …?“
„Da ich auch die Verantwortung für Ihre Zukunft übernommen habe, muss ich mich darum kümmern, dass Sie im Falle meines Ablebens versorgt sind. Was halten Sie vom Haus Ihres Onkels als Teil der Vereinbarung? Zurzeit ist es natürlich nicht möglich zu sagen, wer in Zukunft einmal mein Erbe sein wird. Da sollten Sie zumindest ein Haus haben, das Ihnen gehört.“
Sein Erbe! Rasch schluckte Catherine den Bissen Rührei hinunter, den sie sich gerade in den Mund geschoben hatte. Noch ein Punkt, der bisher nicht zur Sprache gekommen war. Sie überwand ihre Angst und dachte einen Moment lang über seine Frage nach.
„Nein, ich hänge nicht besonders an dem Haus.“ Und mit einem schalkhaften Lächeln fügte sie hinzu: „Außerdem hat es eine zerbrochene Tür.“
Ihr Gemahl warf ihr schnell einen Blick zu, während er die Brauen hochzog. „Das stimmt.“
„Andererseits, da es Ihnen bereits gehört …“
„Nein. Ich werde es verkaufen und etwas erwerben, das Ihnen mehr zusagt. Das Treffen mit Guildford ist um zwei Uhr. Bis dahin habe ich noch einiges zu erledigen. Sie sollten nicht versäumen, den Vormittag zu nutzen.“
Er erhob sich vom Tisch und ging zur Tür, drehte sich aber noch einmal um.
„Falls Sie Einkäufe in London zu erledigen haben, sollten Sie wissen, dass ich veranlasst habe, Ihnen eine angemessene Summe zur Verfügung zu stellen. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag.“
Nachdenklich blickte Catherine ihm nach. Vielleicht habe ich doch keinen so schlechten Fang gemacht? ging es ihr durch den Kopf. Mein Gatte ist zwar nicht so aufregend, wie ich ihn mir gewünscht habe, sicherlich auch ein wenig einschüchternd, und es ist nicht zu übersehen, dass er jeden meiner Schritte überwacht. Dennoch besitzt er auch eine ganze Reihe von guten Eigenschaften. Jetzt benehmen wir uns noch wie Fremde, sind höflich, zurückhaltend und unbeteiligt – als ob uns nur wichtig ist, uns von unserer besten Seite zu zeigen. Wie lange wird dies dauern? Und was kommt danach?
Catherine erinnerte sich wieder daran, wie anmaßend und berechnend er alle Fäden gezogen hatte, damit sie gezwungen war, ihn zu heiraten. Sie konnte zwar nicht behaupten, von ihm hintergangen worden zu sein, aber er hatte sie in eine Falle gelockt, und das verübelte sie ihm.
Ihr war klar, dass sie irgendwann die Beherrschung verlieren würde. Wie würde er wohl darauf reagieren? Wieder befiel sie einen Moment lang Angst, aber bei seiner zurückhaltenden Art war wohl kaum zu befürchten, dass er sie im Zorn verletzen würde. Vielleicht ließe er sich überhaupt nichts anmerken.
Ein deprimierender Gedanke!
Zumindest brauchte sie sich keine Gedanken über ihre Sicherheit zu machen.
Er würde sie vielleicht unterdrücken, aber ganz bestimmt nicht im Stich lassen.
Er spürte es wieder in sich, die Ruhelosigkeit, die Schuld, den Abscheu. Die friedvollen Täler von Yorkshire konnten ihm keinen Frieden geben. Das sanfte Mondlicht hielt keinen Trost für ihn bereit. Ungeduldig gab er dem Pferd die Sporen und fluchte, als das Tier sich aufbäumte, ehe es den Abhang hinunterdonnerte. Es hatte keinen Sinn. Er konnte der Qual nicht entkommen. Bald musste er handeln. Schon sehr bald.
3. KAPITEL
C atherines smaragdgrünes Reisekostüm hob sich besonders vorteilhaft von der silbergrauen Kutsche ab und bildete einen strahlenden Kontrast zu den schimmernden roten Locken, die unter ihrem Hut hervorschauten. Caldbeck, wie immer in makelloses Taubengrau gekleidet, half ihr beim Einsteigen, während sie Sally letzte Anweisungen gab.
Ihre
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