Historical Exklusiv Band 36
zurückziehen. Wie sollten sonst Eure Knappen ihr Handwerk lernen?“
„Habt keine Sorge, ich werde mich weiter darin üben und andere, so auch meine Söhne, im Kampf unterweisen. Diese Kunst ist notwendig, um sein Leben und seinen Besitz zu verteidigen. Und wenn ich oder die Meinen angegriffen werden, dann werde auch ich zu den Waffen greifen, habt keine Angst.“
„Die habe ich nicht, Mylord. Und ich hege keinen Zweifel, dass Ihr jeden Kampf so glorreich bestehen werdet, wie Ihr Euch heute im Turnier geschlagen habt.“
Er lächelte, und dieses nachdenkliche Lächeln ließ Genevras Herz schneller klopfen und ihre Hand zittern, als sie ein Stück Hühnerbrust von der Platte nahm, die Alan pflichteifrig immer wieder mit neuen Leckerbissen füllte.
„Ja, ich liebe die Herausforderung eines Turniers. Es ist eine gute Möglichkeit, sich zu üben, ohne viel Blut zu vergießen. Und man kann sich mit Ruhm bedecken, ohne viel dabei zu riskieren“, fügte er mit einiger Missbilligung hinzu, als fände er keinen Gefallen an diesem Aspekt des Kampfes. Ein Schauder durchfuhr ihn, als er erneut den Becher leer trank.
„Ein Jammer mit Sir Piers! Armer Kerl, seine Rüstung war zu schwer, und die Tage seines Ruhms sind vorüber. Er stürzte so unglücklich von seinem Pferd, dass er sich das Genick brach. Er ist gelähmt und wird wohl nicht mehr lange am Leben bleiben.“
Genevra war bestürzt. Sie griff nach dem Brot und brach gedankenverloren ein Stück ab. Dieser Kampfsport war gefährlich. St. Aubin konnte im Verlauf eines Turniers verletzt oder getötet werden. Aber ein Mann am häuslichen Herd war kein Mann. Das Leben bot mancherlei Gefahren. Er konnte ebenso gut an einer Krankheit sterben oder bei einer Jagd vom Pferde fallen. Das Leben war oft kurz, der Tod lauerte an jeder Ecke.
Ihr selbst standen die Gefahren bevor, die eine Geburt mit sich brachte. Sie war jedoch klug genug, sich von solchen Gedanken nicht die Stimmung des Festes trüben zu lassen. Sie beide waren kräftig und gesund. Mit Gottes Willen würden sie viele Jahre gemeinsam verbringen.
Sie tat etwas Butter auf das weiche weiße Brot und biss kräftig davon ab, als ein weiterer Fanfarenstoß den nächsten Gang ankündigte. Wie schon zuvor kostete ein Mundschenk das Essen seines Herrn vor. In den meisten großen Haushalten hielt man an diesem Ritual fest. Ein missgünstiger oder habgieriger Feind bedeutete eine Gefahr für jeden mächtigen Mann oder Lehensherrn. Und nichts einfacher, als Gift in das Essen zu mischen.
Sie wies alle dunklen Gedanken von sich und dachte daran, dass viele einflussreiche Männer ein hohes Alter erreichten, wenn sie nicht schon krank geboren waren oder im Kampf fielen.
Oder das Opfer der schrecklichen Pest wurden, die als Geißel Gottes in den letzten fünfundzwanzig Jahren schon dreimal das Land heimgesucht und die Bevölkerung Englands so drastisch reduziert hatte, dass es oftmals nicht einmal genug Leute gab, um die Ernte zu bestellen. Das Land war seiner Bauern beraubt, und die Felder lagen brach.
Auch die großen Geschlechter, wie das von Lancaster, hatten schwer gelitten, doch Lord Northempston war ein kräftiger und gesunder Mann. Er hatte zusehen müssen, wie seine Kinder und Enkel starben, und auch St. Aubin hatte Frau und Kind verloren, beide hatten indes allem Leiden getrotzt, das der Herr ihnen auferlegt hatte, und, so betete sie inbrünstig, würden es auch weiter tun.
Jetzt wurden ihre Gedanken durch ein neues Gericht unterbrochen, das man vor ihnen aufgetragen hatte.
„Mylord, noch nie habe ich so einen herrlichen Schwan gesehen!“, rief sie aus. „Es wäre fast schade, die Federn zu entfernen und ihn aufzuschneiden, aber ich möchte doch zu gerne wissen, wie er schmeckt!“
„Und das sollt Ihr auch! Ich habe bemerkt, dass Ihr bereits von vielen ungewohnten Speisen gekostet habt, den Tauben in Aspik und den Stör, ungeachtet all der Kuchen, des Sillabubs und der Puddinge, die noch kommen!“
Auf Genevras Wangen erschienen wieder die Grübchen. „Wenn ich es nicht getan hätte, wie könnte ich dann wissen, ob ich diese Gerichte mag?“
Diese kindliche Entdeckerfreude amüsierte St. Aubin, und er sah zu, dass sie von allem bekam, was sie sich wünschte. Die größte Bewunderung fand aber das Kunstwerk aus Marzipan und Mandelbrot, das zu Ende des Mahls hereingetragen wurde. Es stellte zwei kämpfende Einhörner dar, eines mit den Farben von Northempston, das andere mit dem Wappen St.
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