Historical Exklusiv Band 36
atemberaubenden Kehrseite seiner Ehefrau gefangen genommen.
Catherine schob sich vorsichtig rückwärts unter der Vorspinnmaschine hervor, wobei sich ihre faszinierenden Rundungen rhythmisch bewegten, während sie, immer noch auf die Hände gestützt, ihre Last von der Maschine wegzog. Ihre Unterröcke bauschten sich über ihren Füßen. Charles konnte den Blick nicht von ihr abwenden.
Und nicht nur er. Unbemerkt hatte sich eine ganze Schar Zuschauer eingefunden und bestaunte das Schauspiel. Charles richtete sich auf und räusperte sich. Die Fabrikarbeiter eilten sofort wieder an ihre Arbeitsplätze, selbst Earby schaute woanders hin, sodass Charles allein den Anblick genießen konnte.
Schließlich hatte sich Catherine wieder aufgerichtet, zog den Kleinen ebenfalls auf die Füße und sah ihn streng an. „So. Das machst du nicht noch einmal. Wie heißt du?“
Earby zuckte die Schultern. „Er wird nicht antworten. Der störrische Bengel hat seit einem halben Jahr nichts mehr gesagt. Er heißt Willy.“
Charles bedachte den Mann mit einem scharfen Blick. „Was ist mit seinem Haar passiert?“
Der Aufseher wunderte sich, warum man diesem Jungen so viel Aufmerksamkeit schenkte. „Wir haben versucht, die Wunden auf seinem Kopf zu verarzten, und heißes Pech auf seinen Schädel gestrichen. Als es dann entfernt wurde, klebte das Haar daran.“
„Was?“ Catherine war so entsetzt, dass sie beinahe laut aufgeschrien hätte. „Sie haben ihm das Haar mitsamt den Wurzeln ausgerissen?“
„Lady Caldbeck …“ Feindselig sah Earby ihn an. „Heißes Pech ist ein ausgezeichnetes Mittel gegen Entzündungen.“
„Vielleicht, aber nicht unter diesen Umständen.“ Catherine funkelte ihn wütend an. „Und wieso hat er überhaupt so viele Wunden auf dem Kopf? Die scheinen mir von dieser Peitsche zu stammen.“
Der Aufseher verschränkte die Arme vor der Brust und schaute noch mürrischer drein. „Mylady, Sie werden sicher Verständnis dafür haben, wie wichtig Disziplin ist. Sie haben doch selbst gesehen, wie verstockt er ist.“
„Wohl eher verängstigt. Was ist eigentlich mit seinen Eltern? Wieso lassen sie es zu, dass er so behandelt wird?“
Earby grinste selbstzufrieden und entgegnete: „Sie sind tot, Mylady. Er kann sich glücklich schätzen, etwas zu essen zu bekommen und einen Schlafplatz zu haben.“
„Was man so Glück nennt.“ Charles deutete auf die Verletzungen an den Händen des Knaben. „Und wie ist das zu erklären?“
„Durch die scharfen Kanten der Metallteile. Das passiert eben bei seiner Arbeit.“ Der Ton von Earbys Stimme war barsch, und er packte das Kind am Oberarm, um es von Catherine wegzuziehen. „Nun, Mylady, wenn Sie nichts dagegen haben, es wird langsam Zeit, dass er wieder zu arbeiten anfängt. Er hat schon lange genug faul herumgestanden.“
„Das erlaube ich nicht!“ Catherine hielt den Kleinen fest. „Er kommt mit uns.“
„Mylady, allmählich bin ich mit meiner Geduld am Ende.“ Earby zog fester an Willys Arm und bemühte sich nicht einmal mehr, den Anschein von Höflichkeit zu wahren. „Er muss wieder zurück an seinen Platz. Viel zu viele dieser elenden Lümmel versuchen, sich ihren Pflichten zu entziehen. Erst letzte Woche sind zwei solcher Lumpen aus der Bleimine in Grassington geflohen. Wenn Sie ihn jetzt endlich loslassen wollen …“
„Das werde ich nicht!“ Catherine zog den unglücklichen Willy dichter an sich. „Ich denke gar nicht daran, ihn hierzulassen!“ Earby gab nicht nach. Catherine auch nicht.
Dieses Hin und Her betrachtete Charles noch ein Weilchen mit Interesse und überlegte, ob der Hut seiner Countess es wohl überstehen oder unter ihren Füßen landen würde. Dann jedoch kamen ihm ernstliche Bedenken, ob Willy eine Chance hatte, das Tauziehen zu überleben. Es fehlte nicht mehr viel, und er würde in Stücke gerissen. Charles entschied, dass es an der Zeit war, einzugreifen.
Er hob seinen Spazierstock und klopfte damit leicht auf Earbys Finger, mit denen dieser den kleinen Arm umklammert hielt. Hasserfüllt sah der Aufseher Charles an. Der sagte kein Wort, musterte ihn aber mit frostigen Blicken. So standen sie einander abwartend gegenüber. Schließlich zog Earby seine Hand weg und Charles einen Augenblick später den Stock.
„Nun gut, Mylord. Erfüllen wir Lady Caldbecks Wunsch. Ich bin sicher, dass ich schnell jemand anders finde, der den Mund aufbekommt und weniger Ärger macht.“ In Earbys Augen funkelte mörderischer Hass,
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