Historical Exklusiv Band 36
als er in Charles’ Gesicht blickte. „Nehmen Sie den Balg mit.“ Mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und ging hinaus.
„Gut. Das wäre geklärt. Vielen Dank. Wie machst du das nur? Es ist ein Trick, den ich lernen muss.“ Catherine blickte Charles lächelnd an und versuchte, die traurigen Reste ihrer ehemals eleganten Kopfbedeckung mit ihrer freien Hand zurechtzurücken, ehe sie begann, ebenso erfolglos den Schmutz von ihrem Rock zu klopfen. Die beiden wandten sich gerade zur Tür, da hörten sie eine leise Stimme hinter sich.
„Mylady.“
Sie drehte sich um, konnte aber nicht ausmachen, woher das Flüstern kam. Dann war es erneut zu hören. Eine Frau, die hinter ihr arbeitete, schien nach ihr gerufen zu haben. „Hier.“ Catherine schob Willy zu Charles. „Halt ihn gut fest.“
Charles packte Willys Hand und warf ihm einen drohenden Blick zu. Catherine, die seine einschüchternde Wirkung nur zu gut kannte, wusste, dass der Junge sich nicht von der Stelle rühren würde, und ging zurück zu der Frau. „Wollten Sie mich sprechen?“
Die Arbeiterin nickte, während ihre Hände nicht eine Sekunde ruhten. „Jawohl, Mylady, aber er darf nichts davon merken.“
„Oh. Ich verstehe.“ Catherine nickte und sagte laut und vernehmlich „Das sieht sehr interessant aus, würden Sie es mir bitte erklären?“ Dann fügte sie mit gedämpfter Stimme hinzu: „Wir tun einfach so, als würden Sie meine Fragen beantworten. Was möchten Sie mir sagen?“
„Da ist noch ein Kind, das Ihre Hilfe braucht. Laurie. Sie arbeitet in dem Raum dort drüben.“ Kaum wahrnehmbar, und ohne von ihrer Arbeit aufzusehen, deutete die Frau mit dem Kopf auf eine Tür. „Sie ist vor zehn Jahren in die Fabrik gekommen. War noch zu jung – die Knochen zu weich.“ Die Arbeiterin schüttelte traurig den Kopf. „Jetzt hat sie so krumme Beine, dass sie bald nicht mal mehr laufen kann. Dann wird er sie auf die Straße werfen.“
„Wie schrecklich“, flüsterte Catherine. „Ich werde mit ihr sprechen.“ Sie berührte die Frau leicht an der Schulter. „Vielen Dank. Wenn Sie jemals meine Hilfe brauchen, kommen Sie nach Wulfdale, nördlich von Grassington.“
Die Arbeiterin nickte ihr zu. „Ich danke Ihnen, Mylady.“
Catherine ging zu der Tür, hinter der Laurie verborgen sein musste.
In ihrem Schlafzimmer im Gasthaus von Skipton lehnte sich Charles gegen das Kopfteil und betrachtete seine junge Frau mit hochgezogenen Brauen. „Und was“, überlegte er laut, „wird der viel geplagte Mr Earby deiner Meinung nach wohl sagen, wenn er herausfindet, dass wir nicht nur Willy, sondern auch Laurie entführt haben?“
„Das kümmert mich nicht im Geringsten. Aber es bricht mir fast das Herz, wenn ich Lauries verkrüppelte Beine sehe. Sie sind so krumm, dass sie nicht größer als ein kleines Kind ist, obwohl sie bald fünfzehn wird. Außerdem hätte sie sowieso nicht mehr lange arbeiten können und wäre dann ohnehin auf der Straße gelandet.“
„Vielleicht sieht er das auch so und verzichtet darauf, die Büttel auf uns zu hetzen.“
„Wenn er es tut, so ist die Sache es wert.“ Catherine warf trotzig den Kopf zurück und ging zum Bett, um sich neben Charles zu setzen. Er strich gedankenverloren über den glänzenden Satin ihres Negligés.
„Dennoch sollten wir uns morgen lieber früh auf den Weg machen.“ Beim Anblick seiner nicht im Mindesten von Zweifeln geplagten Frau wurde ihm das Bizarre der Situation erst so richtig bewusst.
Lord Caldbeck als Gesetzesbrecher. Er amüsierte sich köstlich. „Ich bin mir nicht sicher, ob es sich lohnt, dafür in Ketten in den Kerker geworfen zu werden. Ich hatte ja keine Ahnung, dass ich eine Banditin geheiratet habe.“
Catherine lächelte. „Bin ich wirklich so schlimm?“
„Vielleicht nicht. Je mehr ich über den Vorfall in der Spinnerei nachdenke, desto klarer wird mir, dass es einige mildernde Umstände gibt.“ Charles sah wieder Catherine vor sich, wie sie den kleinen Willy unter der Maschine hervorzog, und hatte Mühe, ernst zu bleiben.
„Welche mildernden Umstände?“
Charles machte ein nachdenkliches Gesicht. „Ja, bei eingehender Betrachtung gibt es keinen Zweifel, dass der Anblick deines entzückenden Hinterteils, während du dich unter der Vorspinnmaschine hervorschiebst, jeden Preis wert ist.“
„Mein Hinterteil!“ Catherine stemmte die Arme in die Hüften und bekam beinahe einen Lachanfall. „Ich hatte ja keine Ahnung … Ich hätte nicht
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