Historical Exklusiv Band 36
Privatkabinett hingegen befand sich in einem kleinen schmalen Raum nebenan. Seine Knappen und Pagen sollten ihm darin aufwarten, und Alan und St. Aubins Leibdiener würden dort schlafen, sofern sie nicht angewiesen wurden, zu den anderen in der Großen Halle zu gehen. Auch einige der Kleider wollte man dort unterbringen, zum Schutz vor den Motten, die den scharfen Geruch des Privatkabinetts nicht zu mögen schienen.
Meg sollte ein eigenes Bett in einem hölzernen Verbau bekommen, der mit einem Vorhang von der Galerie abgetrennt war. Dort hatte sie schon früher geschlafen.
Nur in der Kemenate konnten sie ganz ungestört sein. Und doch wären immer ihre Diener in Rufweite.
Erst nachdem sie in der Großen Halle gespeist hatten und sich zur Ruhe begeben wollten, fand Genevra eine Möglichkeit, ihrem Gemahl einzugestehen, dass ihr Zustand es ihr nicht erlaube, ihn als Gatten zu empfangen. Einen Augenblick schien er unentschlossen, doch dann setzte er ein gezwungenes Lächeln auf.
„Dann werde ich Euch nicht mit meiner Gegenwart stören, Frau. Ich werde eine Schlafstatt bei Alan in der Kammer finden.“
„Ja, aber …“
„Gott schenke Euch eine ruhige Nacht, Mylady“, unterbrach er sie. „Die Ruhe wird Euch guttun nach der langen Reise.“
6. KAPITEL
W arum hatte Robert sie allein gelassen? Genevra zitterte unter der Decke, obwohl sie nicht fror. So sehr sehnte sie sich nach der Wärme seines Körpers, nach seiner zärtlichen Berührung. Sie hätte beinahe alles gegeben, hätte er diese erste Nacht in der Burg, die durch diese Heirat sein geworden war, mit ihr verbracht. Nun war sie allein, selbst die Hunde waren nicht da, sie waren ihrem Herrn gefolgt.
Nichts sprach dafür, dass ihr Gemahl ihre Gegenwart wünschte, außer gelegentlich für unterhaltsame Gespräche und zur Zeugung der Nachkommen. Sonst sah er offenbar keinen Grund, das Bett mit ihr zu teilen. Er zog es vor, seine Nacht auf unbequemem Lager in der übel riechenden Kammer zu verbringen. Wenigstens stört ihn dort nicht das Ungeziefer, dachte sie verdrossen.
Vielleicht wäre es besser gewesen, sich nicht allzu große Hoffnungen zu machen. Nun musste sie auf das Ende ihrer Monatsblutung warten, bis er wieder in ihre Nähe kam. Zärtliches Zusammensein im Bett hatte keinen Platz in seinen Gedanken. Was wäre, wenn sie ein Kind von ihm empfangen hatte? Würde er sie wieder allein lassen und in der Ferne von ihr schlafen? Oder, o grausame Vorstellung, sich in die Arme einer anderen, aufregenderen Frau werfen?
Plötzlich schrak sie hoch. Schon wieder hatte sie auf ihr Nachtgebet vergessen. Wollte Gott sie dafür bestrafen? Sie schlüpfte aus dem Bett und nahm eine Kerze, um das Licht im Kerzenhalter über dem Betschemel zu entzünden.
Ein Kreuz hing darüber. Die Flamme der tropfenden Kerze warf wunderliche Schatten an die Wand. Die Nische jedoch, in der eine Statue der Jungfrau Maria stehen sollte, war leer. Genevra fragte sich, was wohl aus der Marienfigur geworden sein mochte, die zu Lebzeiten ihrer Mutter dort gestanden hatte. Vielleicht befand sie sich noch in Bloxley. Sollte sie das nächste Mal dort sein, wollte sie danach suchen. In der Zwischenzeit indes wollte sie eine andere Statue aufstellen.
Sie kniete nieder, schloss die Augen und beugte den Kopf. Die Gleichförmigkeit der Gebete, das Zählen der Perlen ihres Rosenkranzes beruhigten ihre angespannten Nerven. Als sie in ihr Bett zurückkehrte, schlief sie augenblicklich ein.
Genevra erwachte erst, als Meg die Bettvorhänge zurückzog. St. Aubin saß bereits angezogen an einem kleinen Tisch am Fenster und schrieb.
Er blickte auf, warf ihr aber nur einen flüchtigen Blick zu. „Habt Ihr wohl geruht, meine Gemahlin?“
„Sehr gut, ich danke Euch, Mylord. Und Ihr?“
„Gut genug.“ Er unterbrach sich, um eine kleine Änderung in seinem Schriftstück vorzunehmen. „Wir wollen die Burg gemeinsam besichtigen, sobald Ihr fertig seid. Oder fühlt Ihr Euch nicht gut?“
„Doch, Mylord. Ich fühle mich wohl, bis auf den gewissen Zustand.“
Er beantwortete ihr bedauerndes Geständnis mit einem Nicken. „Ich sehe, Meg hat Euch schon Brot und Bier gebracht. Ich selbst habe mich bereits gestärkt. Bis Ihr bereit seid, werde ich mit meinem Schriftwechsel fortfahren.“
Robert wandte sich wieder seinen Schriftstücken zu, doch es fiel ihm schwer, sich auf die Worte zu konzentrieren. Ein Wandschirm entzog sie seinen Blicken, als sie sich wusch und ankleidete, doch er spürte ihre
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