Historical Exklusiv Band 36
mich recht erinnere, abseits der anderen Gebäude, wo ein Feuer weniger Schaden anrichten kann.“
„Ihr habt ein gutes Gedächtnis, Mylady.“ Martin lächelte und führte sie zu der Treppe, die zum Palas führte. „Unterhalb der Halle findet Ihr den Keller, wo Wein und Bier gelagert sind, sowie die Vorratsräume.“ Mit der Hand wies er auf die einzelnen Gebäude, während er weitersprach. „Dort ist die Meierei, da das Brauhaus, die Hufschmiede dort drüben und die Waffenkammer unterhalb der Quartiere im Bergfried, wo Captain Nori Eure Leute unterbringen wird, sobald die Pferde versorgt sind …“
Er wurde von St. Aubin unterbrochen. „Wir werden später Zeit haben, die Anlagen von Merlinscrag zu erkunden. Zuerst brauchen wir Essen und Ruhe. Führt uns zur Kemenate.“
Genevra dachte bei sich, dass der Eingang zu den Ställen wohl außerhalb des Burghofes liege, denn man hatte die Pferde wieder durch das Tor hinausgeführt. Die Leute, die im Schloss lebten, waren an ihre Arbeit zurückgekehrt und warfen neugierige Blicke auf ihren neuen Herrn und ihre Herrin und deren Knappen, Pagen und Diener, die nun die Treppe zum Palas hinaufschritten.
Ganz gewiss waren sie von Sorge und Angst erfüllt gewesen, da sie nicht wussten, welche Änderungen St. Aubin vornehmen würde, ob er ein guter oder schlechter Herr, gütig oder grausam wäre. Genauso wie sie selbst sich vor ihrer Verlobung gefürchtet hatte. Nun wusste sie, dass St. Aubin, wenngleich streng, doch gerecht in seinem Urteil war und Ungehorsam oder Unachtsamkeit nicht zu streng bestrafte.
Sie freute sich, in Martin einen alten Bekannten getroffen zu haben. Lächelnd betrachtete sie seine breiten Schultern, als er ihnen voranschritt. Nur zu gut erinnerte sie sich, wie er, damals ein kräftiger, fröhlicher Knabe von fünfzehn Jahren, sie auf diesen Schultern herumgetragen hatte.
Und jetzt war er verheiratet. Ihr gefiel seine Frau Annys. Vielleicht konnten sie Freundschaft schließen. Es war nicht unschicklich für eine Frau ihres Standes, die Gesellschaft von Annys zu suchen. Schließlich war diese keine Dienerin, sondern die Frau des Burgvogtes, der selber von ritterlicher Abstammung war und Merlinscrag all die Jahre so weise und umsichtig verwaltet hatte. Meg würde ihr zwar immer am nächsten stehen, Annys indes konnte die Freundin in gleichem Alter sein, nach der sie sich schon immer gesehnt hatte.
St. Aubin sah sich um, als sie durch die Große Halle schritten. Er erwiderte den Gruß derer, die eifrig damit beschäftigt waren, die Tafeln für das Abendmahl herzurichten, doch seine Aufmerksamkeit wurde davon nicht in Anspruch genommen. Als er die hölzernen Stufen emporstieg, die zu einer Galerie auf halber Höhe führten, von wo aus man die privaten Gemächer erreichen konnte, sah er mit kritischen Blicken hinunter in die Halle. Genevra folgte seinem Blick.
Frische Binsen waren auf dem Boden ausgebreitet, und man konnte erkennen, dass alles geputzt und geschrubbt war. Die Wände waren frisch gekalkt, und zwischen den unverglasten Fenstern hingen Banner von den Balken. Man hatte Merlinscrag zu Ehren ihrer Ankunft herausgeputzt.
Zwischen den rauchgeschwärzten Dachsparren unter dem Strohdach flogen Vögel mit lautem Gezwitscher hin und her. Eine ungewohnte Stille war eingetreten, als sie durch die Halle schritten und man das Gurren der Tauben in ihren Nestern laut und deutlich hören konnte.
Dann betraten sie die Kemenate.
Martin machte eine tiefe Verbeugung. „Ich hoffe, Ihr findet hier alles zu Eurer Zufriedenheit und Bequemlichkeit, Mylord. Ich habe die Kammer genau so wieder instand gesetzt, wie sie zu Lady Margarets Zeiten ausgesehen hatte.“
Auf beiden Seiten des Gemachs befanden sich Fenster, eines nach Norden, das andere nach Süden. In der Mitte stand auf einer Steinplatte eine flache Kohlenpfanne, und darin brannte ein munteres Feuer. Genevra ging geradewegs darauf zu, sank in einen Stuhl und hielt ihre eiskalten Finger in die Wärme.
„Ich erinnere mich an dieses Bett“, sagte sie und blickte versunken auf das große, reich verzierte Möbelstück mit den schweren Vorhängen, das am Ende des Raumes stand. Als sie als Kind mit ihrer Mutter drinnen lag, war es ihr riesig vorgekommen. Nun würde sie es mit ihrem Gatten teilen, und auf einmal sah es nicht mehr so groß aus. Sie würden sich sehr nahe kommen.
Die Truhen und Kisten St. Aubins wurden nun durch das Gemach in eine darunter liegende Kleiderkammer getragen, das
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