Historical Exklusiv Band 42
zweifelnden Ausdruck, als er nach der Karaffe griff, die auf einem Tischchen neben seinem Sessel stand. „Was irritiert Sie so, Miss Grey? Der Gedanke, so früh am Tag Wein zu trinken oder meine Vermessenheit, mich an der Karaffe meiner Tante zu vergreifen? Falls es Ersteres sein sollte, sehen Sie es als Medizin gegen Ihren Schock an, bei Letzterem seien Sie versichert, dass ich mir keinerlei Freiheiten herausnehme, ohne die Erlaubnis meiner Tante eingeholt zu haben.“
Verärgert biss Talitha sich auf die Lippen. War sie so leicht zu durchschauen, konnte man jeden Gedanken an ihrem Gesicht ablesen? „Weder, noch, Mylord. Es ist ganz einfach so, dass ich nicht das Gefühl habe, ich wäre hier am richtigen Platz …“
„Wo sollten Sie denn sein, Miss Grey?“ Er reichte ihr ein Glas, bevor er seines in die Hand nahm. „Auf Ihr Glück und auf Ihre glückliche Rückkehr zu Ihrem angestammten Platz in der Gesellschaft.“
Talitha nahm einen vorsichtigen Schluck und stellte fest, dass der Geschmack ihr zusagte. Noch immer fühlte es sich unwirklich an, eine solche Unterhaltung mit einem echten Lord zu führen, vor allem mit diesem hier. Um nicht den Eindruck zu erwecken, sie wäre nur eine dumme Gans, erwiderte sie frei heraus: „Wenn ich wüsste, wo sich mein angestammter Platz befindet, würde ich gerne auf meine glückliche Rückkehr trinken, Mylord!“
„Ich wünschte, Sie würden mich Nick nennen.“
„Das steht vollkommen außer Frage, Lord Arndale!“
„Sie könnten mich als Cousin ehrenhalber adoptieren“, schlug er ernsthaft vor. „Miss Gower hat mich als ihren Neffen anerkannt, und da Sie ihre Erbin sind, macht uns das sicher zu Cousin und Cousine.“
Trotz ihrer Bemühungen, ernst zu bleiben, musste Talitha lachen. „Entschuldigung, aber das ist doch wirklich lächerlich, Mylord . Ich brauche keinen Cousin, sondern lediglich die Adresse einer Bank, die empfehlenswert ist, sowie den Namen eines respektablen Herrn, der sich meiner Geschäftsangelegenheiten annimmt. Ich bin sicher, Lady Parry wird mir freundlicherweise in beiden Punkten behilflich sein.“
In diesem Moment öffnete die Angesprochene die Tür und rauschte mit ihrer üblichen Tatkraft herein. Dankbar lächelte sie Nick an, als dieser aufstand, um ihr seinen Platz anzubieten.
„Wie ich gehofft hatte, seid ihr beide ja sehr gut ohne mich zurechtgekommen“, stellte sie fest und ließ sich nieder. Sie lächelte Talitha an. „Sei so gut, Nick, schenk mir bitte ein Glas Sherry ein und empfehle dich dann. Miss Grey und ich müssen Pläne schmieden.“
Er reichte ihr ein Glas und machte sich auf den Weg aus dem Zimmer, nachdem er kurz vor Talithas Stuhl stehen geblieben war. „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, Miss Grey. Bestimmt werde ich Sie in Zukunft öfter hier sehen.“ Lady Parry schien nichts Außergewöhnliches an seinem Tonfall zu bemerken, Talitha jedoch war sich nicht sicher, ob sie gerade ein Versprechen oder eine Drohung vernommen hatte.
5. KAPITEL
E inen Moment betrachtete Lady Parry schweigend Talitha, dann meinte sie: „Mein Neffe erwartet von mir, dass ich Ihnen gegenüber ein ganz bestimmtes Anliegen zur Sprache bringe, Miss Grey – Talitha, wenn ich Sie so nennen darf. Stimmt der Name so?“
„Ja, Mylady. Ein recht ungewöhnlicher Name, wie ich zugeben muss. Ich wurde nach einer Großtante genannt. Sie dürfen mich gerne so nennen oder, noch besser, Tallie, wie meine Freunde.“
„Dann soll es Tallie sein.“ Lady Parry zögerte, was für eine so entschlussfreudige Person wie sie recht ungewöhnlich war, dann begann sie vorsichtig: „Du musst mir verzeihen, meine liebe Tallie, dass ich mich einmische.“ Mit einer Handbewegung erstickte sie Talithas Protest im Keim. „Ich habe dir bereits gebeichtet, dass es Miss Gower und mir viel Freude bereitet hat, diese kleine Verschwörung anzuzetteln, durch die wir dir zu deinem ursprünglichen gesellschaftlichen Stand verhelfen werden. Wären deine Eltern nicht so früh und unter solch unglücklichen Umständen ums Leben gekommen, wäre dies dein natürlicher Platz.“
„Aber, Mylady, selbst wenn mein Vater noch leben würde, hätte ich nicht einmal ein Zwanzigstel einer solchen Summe zu erwarten!“
„Vielleicht nicht, doch ich bin sicher, dass du ein bequemes und sicheres Leben und außerdem dein Debüt gehabt hättest, oder nicht?“ Sie wartete auf Tallies zustimmendes Nicken, dann fuhr sie fort. „Nun stehst du ganz alleine da, ohne eine
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