Historical Exklusiv Band 42
musst dich nicht so aufregen, Talitha. Ich habe Mr Harland vor einer Weile aufgesucht, weil ich überlegt habe, ein Porträt von mir anfertigen zu lassen. Ich habe eine Leinwand gesehen und gefragt, wer das Modell sei, da ich glaubte, es zu kennen.“
„Er hat es Ihnen gesagt?“ Talitha war vollkommen entgeistert, zum einen bei dem Gedanken, dass die kompromittierenden klassischen Gemälde sichtbar im Atelier aufgestellt sein mussten, zum anderen, weil Mr Harland so indiskret war, ihren Namen preiszugeben.
„Es war ihm äußerst peinlich, dass ihm das herausgerutscht ist. Ich bin sicher, dass er es nur gesagt hat, weil ich erwähnte, das Modell zu kennen.“
„Und Sie sind nicht schockiert, Mylady? Dass ich für einen Maler Modell gesessen habe, ganz zu schweigen davon, wie ich dabei … angezogen war?“
„Zugegeben ist das nicht die Art und Weise, in der man sich eine unverheiratete junge Dame dargestellt wünscht, doch unter den gegebenen Umständen finde ich, können wir es dabei bewenden lassen.“
„Umstände?“ Talitha fühlte sich schwach.
„Ich weiß, dass Mr Harland ein äußerst ehrenwerter Mensch ist, und ich bin sicher, dass ihm dieser Patzer, deinen Namen zu verraten, nicht noch einmal unterläuft.“
Vor Verblüffung fehlten Talitha die Worte.
Schließlich brachte sie hervor: „Aber, Mylady, wenn das herauskommt, nachdem Sie mich in die Gesellschaft eingeführt haben, würde es auf Sie zurückfallen. Ich zähle ja nicht, aber Sie sind schließlich ein Mitglied der höchsten Kreise.“
„Und ich bin hoch genug angesehen, dass über eventuelle kleine Indiskretionen seitens meines Schützlings kein Wort verloren werden wird“, erklärte Lady Parry mit einem leisen Lächeln. „Es wird nicht lange dauern, bis du selbst jemand in der Gesellschaft sein wirst, glaub mir. Ein Vermögen wie das deine ist groß genug, um jedwede Dummheit verblassen zu lassen. Also, ist es dir noch immer möglich, in einer Woche hier einzuziehen?“
„Ja, Mylady“, stammelte Talitha.
„Tante Kate, bitte, meine liebe Tallie – du meine Güte, ist es schon so spät? Ich muss in einer Stunde bei Lady Fraser sein, und ich will und werde mich nicht in diesem Gewand dort sehen lassen! Nein, du musst nicht überstürzt nach Hause eilen, dies hier ist jetzt dein Zuhause. Klingele einfach, wenn du etwas brauchst.“ Lady Parry sprang von dem Sofa auf, auf dem sie dekorativ hingestreckt gelegen hatte, trippelte zu Talitha, um ihr einen Kuss auf die Wange zu drücken, und war verschwunden, ehe die junge Frau mehr als nur ein Keuchen hervorgebracht hatte.
„Auf Wiedersehen.“
Langsam stand auch Talitha auf. Sie war zu verwirrt, als dass sie sofort ihre Sachen hätte nehmen und gehen können. Sie hatte ihren ganzen Mut aufbringen müssen, um zu erklären, warum sie nicht die geeignete Person war, um von Lady Parry unter die Fittiche genommen zu werden – nur um zu sehen, wie ihre Ängste wegen ihrer Freundinnen und ihrer kompromisslosen Offenheit einfach hinweggefegt wurden!
Was zur Folge hatte, dass ihr bisheriges Leben in weniger als einer Woche Geschichte sein würde und sie ihr Debüt als junge Dame der Gesellschaft gab. Ihre Geldsorgen würden sich darauf beschränken, zu überlegen, wie sie es investieren und ausgeben konnte, und nicht darauf, wie sie genug verdienen konnte, um sich ein neues Kleid leisten zu können.
Talitha stellte sich ans Fenster und blickte hinunter auf das rege Treiben auf der Straße. Sie löste die Bänder ihrer Haube und warf diese auf das Sofa, als würde ein freier Kopf ihr beim Nachdenken helfen, doch alles blieb so unwirklich und unglaubwürdig wie zuvor.
„Wieder zurück, Miss Grey?“, ließ sich eine fragende Stimme hinter ihr vernehmen. Talitha versteifte sich, drehte sich jedoch nicht um. Er war eingetreten, ohne dass sie ihn gehört hätte. „Sind Sie gekommen, um Ihr Geheimnis zu beichten?“ Lord Arndales Stimme klang so uninteressiert, als hätte er sie gefragt, ob sie gerade von einem Spaziergang im Park wiedergekehrt sei.
Ihre Kehle verengte sich unwillkürlich. Sie wollte … was wollte sie? Warum konnte sie kaum einen klaren Gedanken fassen, wenn sie diesen Mann traf, der sie in dem Atelier auf dem Dachboden gefunden hatte?
Schließlich fand sie ihre Stimme wieder. „Beichten? Ja, genau deswegen bin ich gekommen, Mylord.“
„Tatsächlich?“ Trotz allem verzog Talitha den Mund zu einem Grinsen. Aha, sie hatte es also geschafft, den
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