historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
Stirn und marterte das Hirn in dem verzweifelten Versuch, sich in Erinnerung zu rufen, was sich danach ereignet hatte.
Mit einem Male, wie von einem Wetterstrahl erleuchtet, sah sie sich herumwirbeln, zum Fenster laufen und auf den Sims klettern. Einen Moment stand sie unschlüssig da, ehe sie die Arme ausbreitete und in ein schwarzes Loch sank.
Sie musste auf die Felsen geprallt oder im Severn versunken sein. Hatte die Besinnung sie vorher verlassen, oder war sie im Vollbesitz der geistigen Kräfte in ihr Unheil gestürzt? Und wie war es möglich, dass sie den Fall aus solcher Höhe überlebt hatte? Vielleicht waren Fischer in der Nähe gewesen und hatten sie aus dem Wasser gezogen. Oder sie war von den Fluten mitgerissen und an Land ge schwemmt worden. Oder ... ja, auch das war denkbar, Mylord Warfield hatte sie gerettet.
Er war ein geschmeidiger, abgehärteter Mann und ausgezeichneter Schwimmer. Falls er ihr unverzüglich nachge sprungen war, hatte wahrscheinlich er sie vor dem Untergang bewahrt.
Dann war sie ihm Dankbarkeit schuldig, denn er hatte das an ihr begangene Unrecht mehr als gutgemacht.
Meriel straffte sich und bereute zutiefst, dass sie nicht mehr Vertrauen gehabt hatte. Sie hätte Adrian de Lancey glauben sollen, denn nun war ihr klar, dass er sie bei aller Unnachgiebigkeit und leidenschaftlichen Besessenheit nie belogen hatte.
14. KAPITEL
Die ungewöhnlich heitere, zufriedene Stimmung, in der Guy de Burgoigne zurückgekehrt war, erregte sogleich den Argwohn seiner Gemahlin. Ganz gewiss hatten wieder Unschuldige unter seiner Grausamkeit leiden müssen. Begierig zu erfahren, was geschehen war, ließ sie sich still in einem Winkel auf einem Schemel nieder, nahm den Stickrahmen zur Hand und setzte die angefangene Arbeit fort.
Die Fackeln in den Eisenhalterungen flackerten, und bei dem zuckenden Licht fiel es ihr schwer, das Muster richtig auszuführen. Nun, schlimmstenfalls musste sie morgen die Fäden herausziehen und von vorn beginnen. Viel wichtiger war ihr, auf dem neuesten Stand der Ereignisse zu sein, denn sie hatte früh begriffen, dass Wissen Macht bedeutete.
Ihr blieb der Mund offen stehen, als sie dem Gespräch zwischen dem Marschall und ihrem Gatten entnahm, dass die beiden unter Vorspiegelung falscher Tatsachen einen jüdischen Kaufmann mitsamt seiner Familie und allem Hab und Gut in die Grafschaft gelockt, überfallen und aus geraubt hatten. Welchen Vergehens waren diese armen Menschen schuldig, außer dass sie Geld besaßen?
Im stillen dankte Cecily dem Himmel, dass ihr Vater nicht mehr miterleben musste, welche Lasterhöhle aus Wenlock Castle geworden war. Aber er hatte nicht mehr auf Erden geweilt, als seine Tochter von Burgoigne entführt, geschändet und zur Ehe gezwungen worden war.
Sonst wäre es nie so weit gekommen, denn er hätte Cecily einen ehrbaren Edelmann zum Manne erwählt und Burgoigne niemals ge stattet, auch nur einen Fuß nach Wenlock Castle zu setzen.
Grölendes Gelächter riss sie aus den Gedanken. Ihr Gemahl und Vincent de Gembloux überlegten laut die Formulierungen eines Schreibens, das unverzüglich von einem Boten fortgebracht werden sollte.
Nur langsam wurde Cecily der Sinn klar, und dann erschrak sie derart, dass sie sich stach.
Guy hatte sich erdreistet, Warfields Gattin, eine Dame von Rang und Stand, zu entführen und wie eine gemeine Verbrecherin ins Verlies zu werfen!
Nicht zum ersten Male bedauerte Cecily, dass sie nicht den Mut und die Kaltblütigkeit hatte, den tiefverhassten Mann umzubringen. Sie hätte ihn längst erdolchen sollen, irgendwann im Schlaf. Ein Unmensch weniger auf Erden wäre gewiss kein Verlust, und sie würde sich endlich wieder in die Augen sehen können.
Sie war die letzte einer langen Reihe von Ahnen und ihrer nicht wert. Seit Generationen hatten die Chastains mit Anstand und Würde über ihre Ländereien geherrscht, in der Bretagne ebenso wie unter den angelsächsischen Königen in Wessex, Mercia oder Kent. Ein Sieur de Chastain war einst mit den Eroberungstruppen des Duc de la Normandie in England eingefallen, für seine kriegerischen Verdienste von William ausgezeichnet und mit der Tochter eines aus Mercien stammenden Adligen vermählt worden.
Eine Träne rann Cecily über die Wange und tropfte auf die seidene Stickerei. Den Rahmen hastig höherhaltend, täuschte sie vor, im schlechten Licht besser sehen zu wollen. Sie Schloss die Augen und hoffte inständig, eines Tages doch so beherzt und tapfer zu sein, die
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