historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
bist du so widerspenstig? Ich will doch nur dein Bestes, aber du bringst es fertig, mich ständig zur Weißglut zu reizen."
Meriel meinte, sich verhört zu haben. „Wie kannst du es wagen, mir das ins Gesicht zu sagen!" brauste sie auf und stieß seine Hand fort. „Du hast mich geraubt, hältst mich wie eine Gefangene, bedrohst und nötigst mich, und dennoch hast du die Stirn, mir die Schuld für deine schlechte Laune zu geben!" Mit einem Wutausbruch rechnend, hielt sie inne und starrte Adrian of Warfield erbost an.
„Selbstverständlich tue ich das!" erwiderte er, und ein gewinnendes Lächeln umspielte seine Lippen. „Es ist mir viel angenehmer, als eingestehen zu müssen, dass ich mich nicht ritterlich benommen habe."
Diese Antwort hatte sie nicht erwartet und lachte leise auf. „Nun, niemand ist vollkommen!" sagte sie achselzuckend.
„Wie wahr!" stimmte er ernst zu, doch der Schalk schaute ihm aus den Augen. „Aber..."
Verdutzt schwieg er und blickte auf das Kätzchen, das unter dem Lager hervorge sprungen war und sich an sein Bein krallte. Im Nu hatte er sich gebückt und Galam hochgehoben.
„Oh, bitte, tu ihr nichts!" rief Meriel bestürzt aus.
Schweigend kraulte er den Hals des Tierchens, und begeistert leckte es ihm den Zeigefinger. „Ich habe das erniedrigende Gefühl", murmelte er, „dass diese Katze dir mehr bedeutet als ich oder jedes meiner Geschenke. Mach dir nicht die Mühe, mir zu widersprechen. Ich möchte mir den schönen Tag nicht durch eine freimütige Antwort verderben lassen. Komm, begleite mich auf den Keep."
„Wirst du mich dazu zwingen, falls ich mich weigere?"
Adrian de Lancey bedachte sie mit einem nachdenklichen Blick, setzte Galam auf den Fußboden und sagte ruhig: „Nein."
„Wohlan!" stimmte Meriel erleichtert zu. „Dann komme ich mit dir."
Schmunzelnd ließ er ihr den Vortritt, plauderte angeregt auf dem Weg zum Burghof über Belanglosigkeiten und unterhielt Meriel mit amüsanten Geschichten, während er ihr dann auf der steile Stiege des Wehrturmes folgte.
Unwillkürlich war Meriel durch den leichten, scherzhaften Ton des Earl aufgelebt. Wenn Adrian of Warfield sich freundlich und liebenswürdig gab, fiel es ihr nicht schwer, die bedrohliche Seite seines Wesens zu vergessen. Unversehens kreuzte ein Gedanke ihren Sinn, der sie betroffen machte. Als Tochter eines verarmten Adeligen, der ein Dasein in klösterlicher Abgeschiedenheit vorbestimmt gewesen war, hatte sie nie über die Möglichkeit nachgedacht, sich eines Tages zu vermählen, auch nach dem Einzug in Avonleigh nicht.
Erstens konnte es Jahre dauern, bis der Bruder in der Lage war, sie mit einer guten Mitgift auszustatten, und zweitens wusste sie nicht recht, ob sie überhaupt in den heiligen Stand der Ehe treten wollte. Nun jedoch fragte sie sich, was sie unter anderen Umständen für den Mann empfunden hätte, der sie in dieser Veste einsperrte.
Gewiss hätte sie seine Werbung erhört, wäre sie nicht gewaltsam von ihm festgehalten und in ihrer Würde gekränkt worden, denn er war der fesselndste Mann, den sie je kennengelernt hatte. Sein Wesen war vielschichtig und von den gegensätzlichsten Eigenschaften geprägt.
Abgesehen von der unerklärlichen, an Besessenheit grenzenden Leidenschaft für Meriel, war er gebildet, klug und geistreich. Er strahlte gewinnenden Charme aus, hatte Humor und konnte nachsichtig sein. Natürlich verabscheute sie seine Hartherzigkeit und ängstigte sich vor dem Ungewissen, aber die Aufmerksamkeit, die er ihr zollte, schmeichelte ihr auch. Bisher war sie immer wie ein unerfahrenes, hilfloses und unmündiges Geschöpf behandelt worden, doch Adrian of Warfield gab ihr zum ersten Male das Gefühl, eine reife, begehrenswerte Frau zu sein.
Leider waren alle diese Erwägungen müßig. Sie hielt sich in Warfield als angeblich niedriggeborene Gefangene auf, nicht als hochgestellter Gast, und die Absichten des Earl waren alles andere, nur nicht lauter und ehrbar. Im übrigen hätte es keinen Unterschied gemacht, wenn Sieur Adrian die wahre Herkunft seiner Geisel bekannt gewesen wäre. Allein der Standesunterschied und die anders geartete politische Überzeugung hätten von vornherein eine Verbindung ausgeschlossen. Meriels Vater hatte nicht zu den einflussreichen normannischen Baronen gezählt, und Adrian de Lancey war ein Parteigänger Mauds of England. Zudem hatte er bereits eine Gemahlin erwählt, die sicher aus bester Familie stammte und ihm an gesellschaftlicher Geltung und
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