Historical Gold Band 251
aus. Dann kann ich dort an meinem Buch arbeiten.“
Ash hatte den Nordflügel des Hauses noch nie betreten. Die Zimmer waren während seines Besuches verschlossen, und deshalb nahm er an, dass diese Räume den Dalrymple-Kindern vorbehalten gewesen waren; er hatte nur nicht gewusst, dass eines dieser Kinder noch im Haus wohnte.
Nachdem Margarets Versteckspiel ein Ende gefunden hatte, hatte sie wieder ihre alten Zimmer bezogen. Dorthin hatte die Zofe ihn nun geführt – und war geblieben.
Sie sollten also eine Anstandsdame haben. Dafür schien es ein wenig spät.
Margaret saß an einem Tisch in ihrem Salon und schrieb einen Brief. Sie war in dunkle Seide gekleidet – nicht direkt schwarz, eher grau, aber so dunkel, dass es an Sturmwolken erinnerte. Ihr Haar war nicht länger zu einem praktischen Knoten aufgesteckt, sondern in Zöpfe und Locken gelegt und zu einem verschlungenen Gebilde arrangiert.
Ihre goldene Kette trug sie immer noch, und er fragte sich einmal mehr, was wohl in dem Medaillon sein mochte.
Als er sich räusperte, schaute sie zu ihm hoch. Sie hob den Federhalter; ihr Blick war wachsam. Sie sah anders aus – ordentlich und frisiert und elegant. Doch ihre Augen leuchteten genauso wie früher.
„Mein Gott, Margaret“, sagte er.
„Es ist ein bisschen viel auf einmal, das kann ich mir vorstellen.“ Ihre Stimme klang ruhig und gelassen. Er hatte Wochen gebraucht, ehe ihm bewusst wurde, dass sie auf diese Weise ihre tiefen Gefühle verbarg. „Es ist das erste Mal, dass du mich als Lady Anna Margaret siehst. Nun ja.“ Sie zuckte mit den Schultern und breitete die Arme aus. Sie hatte sich ein Schultertuch übergeworfen, und es verrutschte bei dieser Bewegung. „Hier bin ich.“
Lady Margarets Kleid hatte eine bessere Passform als die losen grauen Kittel. Ihr Schultertuch schmiegte sich an ihren Oberkörper und betonte Kurven, die er noch an diesem Morgen berührt hatte.
„Es gibt eine ganze Reihe von Dingen, die ich nicht verstehe“, sagte er.
„Vermutlich sollte ich dir erklären, warum ich dich angelogen habe.“
Er sah sie nur an. Jetzt, da er wusste, wer sie war, begriff er auch diese unterschwellige Traurigkeit, die sie immer umgab. In der allerersten Stunde schon hatte sie ihm gesagt, warum sie ihn ablehnte. Sie hatte ihm nie irgendwelche Lügen erzählt. Nur Wahrheiten, die er nicht richtig gehört hatte.
„Wenn du es unbedingt wissen musst“, begann sie, „und nach allem, was zwischen uns vorgefallen ist, hast du es wohl verdient, die ganze Geschichte zu hören, möchte ich dir Folgendes sagen: Der Plan ist schon vor Wochen entstanden, als …“
„Zum Teufel mit dem Plan, Margaret. Das ist mir vollkommen egal. Ich will wissen … sie war deine Mutter . Nicht die Duchess. Nicht deine Dienstherrin. Deine Mutter ist gestorben. Und dafür … dafür machst du mich verantwortlich. Aus gutem Grund.“
Ihr blieb der Mund offen stehen. Sie bewegte die Lippen, doch sie brachte keinen Ton heraus. Schließlich legte sie den Federhalter hin und presste die Finger an die Schläfen. „In der Nacht, als ich mit Erde nach dir geworfen habe … der Wintergarten war ihr Lieblingsort. Ich wollte mich ihr nahe fühlen. Und dann bist du gekommen und hast mich gestört.“
„Du trägst Trauer.“
Margaret blickte auf ihr dunkles Seidengewand. „Ich trage Trauer, seit ich dich kenne, Ash.“
„Ich meine nicht deine Kleider, Margaret. Ich meine deine Gemütsverfassung.“
Sie stieß einen erschöpften Seufzer aus. „Ash, du verstehst sehr vieles. Aber woher solltest du wissen, wie es ist, um eine Mutter zu trauern?“
Er blickte sich um, da er sichergehen wollte, dass die Sofalehne vor den aufmerksamen Augen der Zofe verbergen würde, was er zu tun gedachte. Dann setzte er sich neben Margaret und legte ihr die Hand aufs Knie. Eine beiläufige, freundliche Geste – und doch auf eine Weise intim, die über das Körperliche weit hinausging.
Er beugte sich vor und flüsterte ihr zu: „Meine Mutter war schwierig. Entsetzlich schwierig. Am Ende war sie komplett verrückt. Aber ich erinnere mich noch an schöne Momente, bevor sie angefangen hat, sich so zu verändern. Ich erinnere mich an eine Zeit, wo sie meine sichere Zuflucht war. Genau deswegen war ihr Abstieg in den Wahnsinn ja auch so beängstigend. Nicht die Prügel, nicht einmal ihre Krankheit. Ich konnte mich erinnern, wie sie zuvor gewesen war, und ich wartete darauf, dass sie wieder wurde wie früher. Stattdessen wurde es
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