Historical Gold Band 251
vierzehn ein Vermögen zu machen. Mark hingegen ist ein richtiger Gelehrter.“ Er wandte sich an seinen Bruder; und sein begeistertes Lächeln, seine ganze Miene verrieten, dass dies kein leeres Kompliment war. Egal, was sein Bruder eben auf Lateinisch gesagt hatte. „Wussten Sie, dass er ein Buch schreibt?“
„Ash“, mahnte Mark mit all dem Unbehagen eines kleinen Bruders, der gelobt wurde.
„Seine Essays sind im Quarterly Review veröffentlich worden. Inzwischen sind es schon drei.“
„Ash.“
„Vor zwei Monaten hat sogar Queen Victoria aus einem davon zitiert, das hat mir ein Freund erzählt.“
„Ash.“ Der jüngere Turner zog den Kopf ein und bedeckte das Gesicht mit der Hand. „Hören Sie nicht auf ihn. Es war nichts als Firlefanz. Elegant formuliert, aber keine Spur originell. Nichts, auf das man großartig stolz sein könnte. Außerdem konnte sie sich nicht einmal an meinen Namen erinnern.“
„Das kommt noch.“ Turners Augen glänzten. „Wenn du erst mal der Bruder eines Herzogs bist, wird sie wissen, wie du heißt, wann du geboren wurdest und wie viele Zähne man dir mit elf gezogen hat.“
Turner beugte sich bei seinen Worten vor, als leistete er einen Schwur.
Was er auch tat, wie ihr klar wurde.
Margaret sank das Herz. Das also wollte er – nicht den Besitz ihres Vaters, auch nicht den Titel, nicht einmal die Rache, von der er gesprochen hatte. All sein skrupelloses Tun diente nur einem Zweck: seinem Bruder.
Und bei aller Neckerei akzeptierte Mark dies als etwas, was ihm zustand. Für ihn war es schlicht selbstverständlich, dass sein Bruder ihn liebte, dass er ihn auf Lateinisch aufziehen durfte und dennoch diese … diese glühende Anerkennung erhielt. Mr Turner würde seinen Bruder nie als unnütz bezeichnen. Von all den Dingen, welche die Turners hatten und Margaret nicht, fand die junge Frau diese Kameradschaft am ungerechtesten.
„Ja“, sagte er, als er ihren Blick auffing. „Noch ein Beispiel für meine freundliche Skrupellosigkeit, fürchte ich. Und nun kennen Sie meine größte Schwachstelle: meine Brüder. Ich will ihnen alles geben. Ich will, dass die ganze Welt erkennt, wie vollkommen sie sind. Sie sind klüger als ich, besser als ich. Und ich würde alles tun – jeden bekämpfen, alles stehlen, zerstören, was nötig ist –, um ihnen das zu geben, was sie verdienen.“
Vor dieser Leidenschaft senkte Margaret den Blick. Sie fühlte sich plötzlich merkwürdig klein und verspürte unglaubliche Eifersucht.
Sie hatte noch nie so für etwas – oder jemanden – gebrannt. In dem großen Raum wirkte der Tisch jetzt sogar noch kleiner, ein winziges Schiff in einem Meer von Parkett. Im Rücken spürte sie die Blicke der Ahnen, deren Porträts an der Wand hingen.
Sie atmete tief durch und wandte sich an seinen jüngeren Bruder. Er wirkte ob dieses Ausbruches ein wenig verlegen – aber weder überrascht noch unangenehm berührt. Als hätte ihm sein Bruder nur eben kurz das Haar gezaust.
„Nun, Mr Mark Turner. Was hat es mit dem Buch auf sich, das Sie schreiben?“
Er lehnte sich zurück. „Sagen Sie ruhig Mark zu mir. Es wäre verwirrend, wenn Sie uns beide Turner nennen müssten.“
Die Turners gaben sich viel zu salopp. Als Dienstbotin konnte Margaret ihnen jedoch kaum widersprechen. Also neigte sie zustimmend den Kopf.
„Ich schreibe über Keuschheit.“
Sie wartete darauf, dass er in Gelächter ausbrach. Oder ihr zumindest ein spitzbübisches Grinsen schenkte, um zu signalisieren, dass es sich auch hierbei wieder um einen seiner Lausbubenstreiche handelte.
Doch er tat keines von beidem.
„Über Keuschheit?“, wiederholte sie schwach.
„Über Keuschheit.“
Er sprach das Wort nicht aus, wie man es erwartet hätte – mit ernstem Unterton und demütiger, ehrerbietiger Stimme. Vielmehr unterstrich er es mit blitzenden Augen und einem leichten Lächeln, als gäbe es auf der Welt nichts Schöneres als die Keuschheit. Margaret hatte viele Freunde ihrer Brüder kennengelernt. Eine derartige Haltung war unter jungen Männern nicht oft anzutreffen. Im Gegenteil.
„Wissen Sie“, fuhr er fort, „die bisherigen Abhandlungen über die Keuschheit waren oft so philosophischer Natur, dass sich die Mehrheit der Leser auf moralischer Ebene gar nicht angesprochen fühlte. Ich habe vor, von praktischen Erfahrungen auszugehen, und dann …“ Seine Stimme verlor sich. Anscheinend hatte er erkannt, dass er mit seiner Begeisterung für dieses Thema ziemlich
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