Historical Gold Band 251
allein stand. „Es ist furchtbar aufregend.“
„Das sehe ich.“
Mark Turner war im selben Alter wie Edmund und ein paar Jahre jünger als Richard. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihre Brüder – oder irgendeiner ihrer Freunde – ein philosophisches Loblied auf die Keuschheit schreiben würden. Sie konnten ja nicht einmal das Wort in den Mund nehmen, ohne zu lachen.
Verächtlich verzog sie bei dieser Erinnerung die Lippen.
„Dass sich einer meiner Brüder einmal der Keuschheit widmet“, erklärte der ältere Mr Turner, „lag nicht in meiner Absicht.“
Daraufhin kehrte unbehagliches Schweigen ein. Die beiden Männer tauschten einen festen Blick. Welche Botschaft darin lag, konnte Margaret nicht erkennen.
„Für gemischte Gesellschaft ist das kein angemessenes Thema“, warf Mrs Benedict ein.
Mark schüttelte sich und wandte den Blick ab. „Wie wahr. Leider richtet sich mein Werk zwangsläufig an das männliche Geschlecht. Wenn ich über die Keuschheit der Frauen schreiben wollte, würde ich mich vermutlich um einen anderen Ansatz bemühen.“
„Ach ja?“, fragte Margaret.
„Ermutigen Sie ihn nicht“, warnte Mr Turner sie. „Wenn er dieses Glitzern in den Augen hat, kommt nichts Gutes dabei heraus.“
Dennoch wandte Margaret sich an Mark. „Betrachten Sie sich als ermutigt.“
Mr Turner neben ihr stieß ein entnervtes Schnauben aus.
„Ich dachte da eher an ein Kompendium. ‚Die besten Schläge, die eine Frau einem Mann beifügen kann, um ihre Tugend zu bewahren‘.“
„Was“, fragte Mr Turner, „da gibt es mehr als eine Möglichkeit?“
„Meine Herren“, flehte Mrs Benedict, doch es nützte nichts.
„Was meinen Sie, Miss Lowell? Hätte die Damenwelt Interesse an einem derartigen Handbuch?“ Mark lächelte sie an. „Ash sagt, Sie hätten kaum Familie. Heißt das, Sie haben auch keinen Bruder, der Ihnen beigebracht hat, sich zu verteidigen?“
Edmund hatte sie an ihrem vierzehnten Geburtstag beiseitegenommen und ihr erklärt, wenn sie nur Beine und Mund fest zusammengepresst hielte, könnte sie einen Marquis an Land ziehen. Das war alles, was sie an nützlichen Ratschlägen von ihm bekommen hatte. Sie schüttelte den Kopf.
Marks Züge wurden weicher. „Nun, dann muss ich es Ihnen eben zeigen.“ Er warf seinem Bruder einen Blick zu und lächelte noch einmal, recht schelmisch diesmal. „ Mir macht es schließlich nichts aus, wenn mein Bruder gezwungen ist, sich der Keuschheit zu widmen.“ Er nahm die Gabel und machte sich über das Fleisch vor ihm her, als gäbe es zu diesem Thema nichts mehr zu sagen.
Vielleicht war ihm die volle Bedeutung dieser sorglos geäußerten Worte nicht ganz klar.
Mr Turners mürrischem Blick nach zu schließen und der Art, wie er langsam den Kopf schüttelte, war er nicht eben angetan von der Bemerkung seines Bruders.
Margaret hörte sowohl die Worte als auch die verborgene Bedeutung. So viel also zu seiner Behauptung, es sei für ihn Ehrensache, sich wehrlosen Frauen niemals aufzudrängen. Bei dieser Erkenntnis wurde der Bissen Gemüse in ihrem Mund zu Asche. Sie hatten schon über sie geredet, wie es unter Brüdern üblich war. Innerhalb eines Tages hatte Mr Turner bereits den Plan gefasst, sie zu verführen – und dieser Plan war so konkret, dass er mit seinem kleinen Bruder darüber gesprochen hatte. Oft genug hatte sie mitbekommen, wie Edmund mit seinen Freunden über diese Witwe oder jene willige Ehefrau geredet hatte, wenn sie glaubten, die Schwester könne sie nicht hören.
Zweifellos glaubte Mr Turner, dass sie einfach in sein Bett fallen würde. Vermutlich taten das viele Frauen. Sie spürte diese unerbittliche Anziehungskraft auch jetzt, obwohl er sie nicht einmal ansah. Es kam oft vor, dass Frauen einem Mann wie ihm ihr Herz zu Füßen legten – einem Mann, der so erbarmungslos leidenschaftlich war, dass es einem den Atem raubte, und dabei gleichzeitig so fröhlich, dass er einen zum Lachen bringen konnte.
Doch bei aller fröhlichen Leidenschaftlichkeit hatte er ihr schon einmal seine erbarmungslose Seite gezeigt.
Vor einem Jahr war sie die gefeierte Ballkönigin gewesen, ein Diamant reinsten Wassers, alle hatten ihr zu Füßen gelegen, und sie war mit einem Angehörigen des Hochadels verlobt gewesen. Näher als sie hätte man dem Rang einer Prinzessin nicht kommen können.
Und dann war Ash Turner in ihr Leben eingedrungen. Für ihn war sie eher zweit- bis fünftrangig gewesen, wenn er überhaupt an sie gedacht
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