Historical Gold Band 251
Lowell nicht einmal mit der Fingerspitze berührt. Stattdessen hielt er schickliche drei Fuß Abstand. Zwei Zimmermädchen hatten sich zu ihnen gesellt – zuerst nur als Anstandsdamen. Doch nach einiger Zeit hatten sie sich kichernd am Unterricht beteiligt. Wenn Ash die Sache richtig beurteilte, waren die albernen Zimmermädchen bereitwillige Teilnehmerinnen, die sich von Mark mehr wünschten als bloße Anweisungen.
Typisch Mark, von Frauen umgeben, ohne daraus den geringsten Nutzen zu ziehen.
Ash war sich nicht sicher, ob er sich mehr über Mark ärgerte, der sich Zeit stahl mit der Frau, die seinen Bruder so faszinierte, oder eher eifersüchtig war auf Miss Lowell. Schließlich hatte er geplant, diese Wochen mit seinem kleinen Bruder zu verbringen. Er hatte es als Weg gesehen, gemeinsame Erinnerungen zu schaffen, endlich eine Verbindung zwischen ihnen herzustellen, um all ihre Differenzen zu überbrücken. Doch wenn Mark nicht gerade Miss Lowell darin unterrichtete, wie man einen Mann aufs Kreuz legte, vergrub er sich bis zum Hals in seinen Büchern. Der Sommer hielt für sie keine Ausritte über weite Felder bereit, keine trägen Ausflüge zum Fluss, um dort ein wenig zu angeln. Auch keine Abende, an denen man Portwein trank und über Politik plauderte.
Nein, der einzige Ort, an dem Ash seinem Bruder begegnete, war die Bibliothek. Doch Bibliotheken waren nie Ashs Stärke gewesen – vorsichtig formuliert. Tatsächlich würde er lieber mit einem aus Käse geschnitzten Löffel einen Brunnen für Parford Manor graben, als ein Werk über – er drehte den Band, den er in Händen hielt, um – Praktische Landwirtschaft lesen. Schon der Blick ins Inhaltsverzeichnis erschöpfte ihn. Seine Schläfen begannen zu pochen. Doch er blieb mit dem verdammten Buch im Zimmer, denn wenn Mark mit Miss Lowell fertig war, würde er in die Bibliothek kommen. Und bevor sein Bruder sich in seine Arbeit vertiefte, würde sich für Ash eine, wenn auch kurze Gelegenheit ergeben, mit ihm zu reden.
Und so blieb er sitzen und tat, als verstünde er die Kapitelüberschriften.
Eine Viertelstunde später hörte er, wie Mark sich von Miss Lowell verabschiedete. Sie ging als Erste hinaus und kam an der Bibliothek vorbei. Sie blickte nicht einmal hinein. So ging das nun schon seit neun Tagen. Seit er mit ihr auf dem Weg gesprochen hatte, ignorierte sie ihn völlig. Neun Tage lang musste er inzwischen zuschauen, wie sich die beiden Menschen, die ihn auf diesem Anwesen am meisten interessierten, miteinander anfreundeten. Ash stieß ein leises, frustriertes Knurren aus.
In diesem Augenblick kam Mark in den Raum geschlendert. Er warf Ash einen Blick zu und schüttelte den Kopf.
„Sei nicht albern, großer Bruder.“ Seine Stimme klang enervierend munter. Ash war überzeugt, dass er diese fröhliche Miene absichtlich aufgesetzt hatte, um ihn zu ärgern. Und als Mark sich über den Sessel beugte und ihm ein strahlendes Lächeln schenkte, fühlte er sich in seiner Annahme noch bestärkt. „Ich habe sie kein einziges Mal berührt, weißt du?“
„Das spielt kaum eine Rolle. Ich auch nicht.“
„So soll es auch sein.“ Mark stieß sich von Ashs Sessel ab und drehte sich um. „Na komm schon. Keuschheit ist gut für den Charakter.“
Ash unterdrückte ein abfälliges Schnauben. Er wollte Zeit mit seinem Bruder verbringen und ihn nicht noch weiter gegen sich aufhetzen.
„Wenn du es unbedingt wissen musst“, fuhr Mark fort, „sie erinnert mich an Hope.“
Lähmender Schmerz legte sich um Ashs Brust. „Sie ist doch ganz anders als Hope.“ Doch die Bemerkung seines Bruders rief ihm seine Schwester ins Gedächtnis, mit ihrem langen, dunklen Haar und ihrem zerbrechlichen Lächeln. Dieses Bild konnte er niemals vergessen, selbst wenn er sich darum bemüht hätte. Jetzt hätte sie eine erwachsene Frau sein sollen. So wäre es auch gewesen, wenn Parford etwas unternommen hätte, als Ash ihn darum angefleht hatte.
„Was weißt du denn noch von ihr?“
„Nicht genug. Ich erinnere mich an ihre Hände. Ihr Lachen. Ich weiß noch, dass sich nach ihrem Tod alles so schnell zu ändern schien. Es war, als hätte sie alles bewahrt, was gut war, und nachdem sie für immer gegangen ist …“ Mark zuckte noch einmal mit den Schultern. „Aber das liegt hinter uns. Trotzdem, an den Albtraum danach erinnere ich mich noch gut genug, um zu wissen, dass es schrecklich ist, ganz allein und schutzlos zu sein.“
„Miss Lowell braucht vor mir nicht
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