Historical Gold Band 251
beschützt zu werden.“
„Sie ist Angestellte der Dalrymples, Ash. Was glaubst du wohl, was mit ihr passiert, wenn wir abreisen und Richard und Edmund zurückkommen? Willst du sie den beiden etwa auf Gedeih und Verderb ausliefern?“
Von Gedeih konnte da wohl kaum die Rede sein, und außerdem wollte er sie überhaupt nicht zurücklassen. Aber wenn er das gestand, würde Mark ihn nur noch mehr aufziehen. „Ich habe nicht darüber nachgedacht, was nach unserer Abreise passieren könnte“, erklärte Ash steif.
„Nein. Etwas anderes habe ich von dir auch nicht erwartet.“ Mark sprach diese dreiste Unverschämtheit ganz sachlich aus.
Ash verzog das Gesicht. Er brachte es nicht fertig, dem Blick seines Bruders auszuweichen. Die Hälfte der Zeit wünschte er sich, dass Mark mit ihm reden würde. In Augenblicken wie diesen hätte er gern alles rückgängig gemacht. Er wünschte, dass er seinen Bruder von sich weisen könnte. Dass er vergessen könnte, was er seinen Brüdern angetan hatte – beziehungsweise, was er nicht für sie getan hatte.
„Himmel, Mark.“
„Du denkst nicht immer so viel an andere, wie du solltest“, erklärte Mark schlicht.
Diese Kritik traf ihn mehr als die Bemerkung über Hope. Mark hatte den Vorwurf so milde geäußert, dass es seinen Bruder nur noch mehr schmerzte. Marks Blick war so durchdringend, wie es nur der Blick eines Menschen sein konnte, der die Verfehlungen eines anderen am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte.
„Ich denke jeden Augenblick an andere. Ich bin schließlich nur wegen dir hier, wegen dem, was ich dir geben wollte …“
„Und immer noch trampelst du durch die Gegend und hinterlässt eine Spur der Verwüstung.“
Verdammt. Seine Schuld wog schon schwer genug, auch ohne dass der Bruder ihm seine Charakterfehler einzeln aufzählte. Ash war derjenige, der feierlich geschworen hatte, seine jüngeren Geschwister zu beschützen und zu verteidigen. Er war derjenige, der genickt hatte, als sein Vater erklärte, ihre Mutter würde zu Maßlosigkeit neigen. Er hatte feierlich versprochen, sie in ihrem Eifer zu zügeln.
Er hatte versagt. Ein paar Jahre später war seine Schwester gestorben, all seinen Bemühungen zum Trotz. Ein paar Monate danach war Ash nach Indien aufgebrochen, fest entschlossen, dort ein Vermögen zu verdienen und dadurch alles rückgängig zu machen, was ihre Mutter getan hatte.
Doch er hatte seine Brüder zurückgelassen. Nie würde er die Übelkeit vergessen, die in ihm aufgestiegen war, als er Mark und Smite bei seiner Rückkehr allein in Bristol auf der Straße gefunden hatte. Damals hatte er es für das Beste gehalten, sie zurückzulassen. Aber nichts, was er versuchte, konnte wiedergutmachen, was ihnen während seiner Abwesenheit zugestoßen war. Sie wollten nicht einmal über diese Zeit sprechen, zumindest nicht mit ihm.
Und dies war nicht das einzige Mal gewesen, dass er sich von Mark abgewendet hatte. Nur das erste Mal.
„Also schön“, erklärte er steif. „Du hast vollkommen recht. Ich hätte nie weggehen dürfen. Ich habe Hope im Stich gelassen. Ich habe dich im Stich gelassen.“
Ein verwirrter Ausdruck huschte über Marks Gesicht. „Wieso reden wir auf einmal von mir ?“
„Jedes Mal, wenn ich dich ansehe, muss ich daran denken, wie sehr ich bei dir versagt habe. So. Jetzt habe ich es zugegeben. Bist du nun zufrieden?“
„Ich soll zufrieden darüber sein, dass du mich anschaust und einen Versager siehst?“ Marks Stimme klang beinahe verächtlich, und er verzog die Lippen. „Wohl kaum.“
Himmel. Er verdarb schon wieder alles. „Ich will damit doch nicht sagen, dass du ein Versager bist! Du hast dein Studium mit Auszeichnung abgeschlossen.“
„Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest“, entgegnete Mark hitzig, „ist das längst nicht alles. Granville hat gesagt, ich sei der klügste Student, der ihm in den fünfunddreißig Jahren, die er nun schon Philosophie lehrt, begegnet ist. Und das da …“, Mark deutete auf die Blätter, die auf dem Tisch vor ihm lagen, „… wird allen zeigen, wozu ich fähig bin. Selbst dir, Ash. Selbst dir. Sieh in mir also keinen Versager, wenn du mich anschaust. Ich habe nirgendwo versagt.“
Das ganze Gespräch hatte eine furchtbar falsche Wendung genommen. „Nun reg dich doch nicht so auf, Mark. Ich stelle weder deine Intelligenz noch deine Fähigkeiten infrage.“
„Was denn dann? Meine Prinzipien können es ja wohl nicht sein, nachdem du selbst keine hast, die der
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