Historical Gold Band 251
einer Hängematte im Kielraum geschlafen, es war eng dort, und die Ratten haben sich getummelt. Und doch stehe ich nun hier. Was sagt Ihnen das?“
„Dass Sie sehr viel Glück hatten?“
Er lächelte wieder, diesmal mit einem leichten Kopfschütteln; es verriet, dass er wusste, was sie nicht gesagt hatte. Das Selbstvertrauen, das er ausstrahlte, war nicht zu übersehen. Die Luft um ihn herum war schlicht belebender als anderswo. Mr Turner hatte nicht einfach nur Glück gehabt. Er war stark – so stark, dass er es nicht nötig hatte, auf andere mächtige Leute eifersüchtig zu sein.
„Wenn ich mich im Spiegel betrachtete, habe ich nie einen Dienstboten gesehen. Was meinen Sie wohl, was ich sehe, wenn ich Sie anschaue?“
Seit Monaten war sie für jeden, der sie ansah, ein uneheliches Kind.
Was er sah? Das konnte sie nicht beantworten. Sie wusste es nicht. Sie war sich nicht einmal ganz klar darüber, wie sie selbst sich sah, wenn sie an einem Spiegel vorüberkam. Dieser Tage versuchte sie einfach, nicht hinzuschauen. Unter seinem Blick hatte sie keine Antwort.
Was er mit einem lässigen Schulterzucken abtat, war mehr als ein Wahn. Es war der Leitstern ihres Lebens gewesen, der Stern, der ihr die Richtung wies. Die Überzeugung, aufgrund ihrer Geburt sei sie besser als andere, schien wie ein unerschütterliches Fundament. Aber der Stern war erloschen, und sie hatte die Orientierung verloren. Nun tappte sie im Dunklen auf der Suche nach einer neuen Richtung.
Da sie immer noch kein Wort gesagt hatte, lächelte er ihr ein letztes Mal zu und ging davon.
Margaret hatte immer geglaubt, dass ein Mann eine Frau verführte, indem er sie auf seine Reize aufmerksam machte: seinen Körper, seinen Reichtum, sein Geschick beim Küssen. Wie naiv sie doch gewesen war.
Ash Turner verführte sie mit der Verheißung ihrer Selbst. Sie sehnte sich danach, ihm Glauben zu schenken, sehnte sich danach zu glauben, dass der Albtraum der letzten Zeit nichts weiter als eine Wahnvorstellung sei, dass sie, wenn sie einfach nur die Augen fest zukniff, wieder wichtig sein würde. Und diese Sehnsucht war weitaus verlockender als jedes Versprechen von Reichtum, unwiderstehlicher als heiße Küsse auf ihren Lippen.
Sie war in ihrem Leben schon nachsichtigen Männern begegnet, autoritären, zerstreuten, die sie vergaßen, sobald sie nicht mehr in ihrer Nähe weilte. Doch einem Mann wie ihm … Er stand so weit außerhalb all ihrer Erfahrungen, dass sie ihn nicht einzuschätzen gewusst hatte. Aber es gab kein Vertun: Er hielt sie für wunderbar. Und er meinte das auch so, meinte es wirklich , es war ausgeschlossen, dass er log.
Von all den Katastrophen, die ihr in letzter Zeit widerfahren waren, schien diese hier die schlimmste – dass ausgerechnet dieser Mann sie bewunderte. Hätte es nicht jemand – irgendjemand – anders sein können? Lange Zeit starrte Margaret auf die Tasse vor ihr, von der Dampf aufstieg.
Sie bedeutete etwas. Sie war wichtig. Diese Gedanken schloss sie in ihr Herz; sie machten ihre Trauer erträglich. Langsam griff sie nach der Tasse.
Der Inhalt war genauso süß, wie sie es sich vorgestellt hatte.
6. KAPITEL
A sh hatte Miss Lowell gesagt, sie solle ausschlafen, selbst jedoch erhob er sich schon bei Sonnenaufgang. Die Arbeit konnte nicht warten. Und tatsächlich, sein Morgenbote traf ein, gerade als die Uhr halb elf schlug.
Der Bursche war neu bei ihm. Ash hatte ihn erst vor ein paar Monaten eingestellt – wie hieß er gleich noch mal? – Isaac Strong, genau. Der Mann bewegte sich steif, vermutlich musste er sich nach der langen Fahrt von London erst einmal ordentlich die Beine vertreten. Seine Augen waren rot gerändert, und als er in den zu Ashs Räumlichkeiten gehörenden Salon geführt wurde, rieb er sich müde über das schwarze Käppchen auf seinem Hinterkopf. Anscheinend hatte er Ash nicht gesehen, der auf einem Sofa am Fenster saß. Der Mann sah ebenso müde aus, wie Ash sich fühlte.
„Mr Strong. Das ist ihr erster Besuch hier draußen, nicht wahr?“
Bei diesen Worten fuhr der Mann zusammen, jedes Anzeichen von Müdigkeit war in der Aufregung vergessen.
Der Versuch, die Geschäfte ein paar Tagesreisen von London entfernt weiterzuführen, hatte einige Nachteile. Die meisten davon wogen nicht ganz so schwer, weil Ash in London kompetente Angestellte hatte. Ein paar davon wurden jedoch vor Ort gebraucht, und so wechselten sich seine Leute dabei ab, ihn auf dem Land aufzusuchen.
Das war zwar
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