Historical Gold Band 251
erwiderte Ash sanft. „Und jetzt, wo ich alles erfahren habe, vernichte ich sie, glaube ich, alle beide.“
9. KAPITEL
A ls Margaret am nächsten Abend das Zimmer ihres Vaters verließ, musste sie sich eingestehen, dass sie den ganzen Tag an Ash gedacht hatte. Er stellte für sie eine verwirrende Mischung aus Schmerz und Freude dar. Schmerz, weil er ihr alles genommen hatte, von dessen Wichtigkeit sie einst überzeugt gewesen war – denn immer noch trat er den Versuchen ihrer Brüder entgegen, ihre gesellschaftliche Stellung zurückzugewinnen.
Sie hatte sich am Abend zuvor nach Kräften bemüht, ihn davon abzubringen, Rache an ihren Brüdern zu nehmen. Stattdessen hatte er sie dazu gebracht, ihm ein Stück der Wahrheit zu erzählen. Er wirkte so vertrauenswürdig, so ungefährlich, dass sie beinahe vergaß, wer er war. Und dann gab er ihren Brüdern die Schuld – als würden die beiden je so etwas machen! –, und ihr fiel wieder ein, warum sie Abstand zu ihm wahren musste. Aber trotz der Schmerzen hatte ihr die Begegnung auch Freude gebracht. Alles, was für sie früher einmal von Bedeutung gewesen war – ihr guter Name, ihre Stellung –, hatte sich verflüchtigt. Ash hatte jedoch nicht diesen Verlust gesehen, sondern einen Menschen, der wichtig war.
Sie ging durch die Galerie, die der Sonnenuntergang in vielfältigen Schattenfarben ausmalte – weder dunkel noch hell, sondern eine aufsehenerregende Mischung aus beidem, ein recht getreues Abbild ihrer geistigen Verfassung.
Sie wollte, dass er recht hatte. Und gleichzeitig wünschte sie, dass er irrte. All das war verwirrend – und Verwirrung beinhaltete Unsicherheit. Doch Margaret war sich absolut sicher, dass er sowohl der letzte Mann auf Erden war, den sie küssen sollte, als auch der Einzige, von dem sie je träumte, sie würde ihn in den Armen halten.
Eine kleine Geste der Auflehnung. Das hatte er ihr geboten.
Ein paar Küsse. Eine Handvoll gestohlener Abende. Ein paar Nächte, in denen sie ihr zerbrochenes Selbstvertrauen aufbauen konnte. Doch am Ende würde das alles keine Bedeutung haben, da ihr Flirt die Wahrheit niemals überleben würde. Er würde sie nur so lange mögen, wie er nicht wusste, wer sie war.
Die Tür zu seinen Räumen stand offen, eine stumme, verführerische Einladung. Margaret wurde angelockt – zuerst von warmem Licht, das Schatten an die Wände warf. Und als sie an die Tür schlich, wurde sie auch von ihm angelockt. Er saß in einem Sessel, mit dem Rücken zu ihr, sodass sie nichts sah außer seinen dunklen Locken. Sie sehnte sich danach, mit den Fingern hineinzutauchen. Ihn zu berühren, wie am Abend davor. Nur dass sie sich dieses Mal mehr wünschte.
Auf Zehenspitzen schlich sie näher.
Er kämpfte mit einem Buch. Auf dem Tisch vor ihm stapelten sich weitere Bücher. Als sie leise hinter ihm ins Zimmer tappte, sah sie, was er las, ein Werk über Landwirtschaft, irgendetwas über den Boden. Dem makellosen Zustand der Bindung und den unbeschnittenen Blättern nach zu urteilen, war das Buch neu. Unwirsch rieb er sich die Stirn und sah stirnrunzelnd auf die Seite.
Es war beinahe neun Uhr abends, und statt munterer Trinklaune zu frönen, studierte er die Landwirtschaft. Margaret brauchte eine Weile, ehe sie verstand, warum sie das so schmerzlich berührte.
Der Gutsverwalter hatte immer wieder versucht, ihrem Vater die theoretischen Erkenntnisse der Landwirtschaft nahezubringen. Soweit sie wusste, hatte ihr Vater nie eines der Bücher gelesen, die der Mann ihm empfohlen hatte. Aus ebendiesem Grund, so hatte sich der Duke damals empört, engagiere er ja gerade eifrige junge Männer – damit er sich nicht mit der Bewirtschaftung der Güter abplagen musste und seine Zeit damit zubringen konnte, Portwein statt Kartoffeln zu kultivieren.
Ash schüttelte den Kopf, als wäre er im Widerstreit mit dem Gelesenen. Sie tappte näher und spähte auf die Seite hinab. Kalkzugabe bei verdichteten Böden konnte sie noch lesen, ehe er den Rest mit der Hand verdeckte. Er strich die Seite glatt auseinander und ergriff das Federmesser. Seine Hände waren groß und breit, mit langen Fingern.
Ein Gefühl von Wertschätzung durchflutete sie, während er das Messer zwischen die unbeschnittenen Seiten schob. Seinen Bewegungen haftete etwas Sanftes an. Trotz seiner Größe, trotz des Umstands, dass seine Hand die ganze untere Hälfte des Buches bedeckte, bewegte er sich vorsichtig. Konnte ein Mensch tatsächlich so vollkommen sein, wie
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