Historical Gold Band 251
daran, dass es mich gibt. Selbst wenn ich nicht mehr bekomme als eine kaum leserliche Beteuerung brüderlicher Liebe, die sich an die unpersönliche Antwort eines Fremden anschließt.“
Die Wahrheit schnürte Margaret beinahe die Kehle zu.
Ich habe mir ein paar Sätze angeeignet – wenn ich die Augen zumache, kann ich sie aus dem Gedächtnis niederschreiben. Aber es hat so lange gedauert, bis ich diese Handvoll Worte gelernt hatte. Ich habe mir nur die Mühe gemacht, mir die Worte zu merken, ohne die ich nicht auskommen kann. Sie wusste, wie viel Ash diese hingekritzelten Worte gekostet hatten, auch wenn Mark das nicht bewusst war.
„Tut mir leid“, sagte Mark. „Jetzt habe ich Sie bekümmert. Das wollte ich nicht, ehrlich nicht. Ich dachte nur, es wäre besser, wenn Sie es auf diese Weise erfahren.“
Die Wahrheit lag ihr auf der Zunge. Am liebsten hätte sie sie laut herausgeschrien und Mark dabei geschüttelt, bis der erkannt hatte, wie schwierig es für Ash gewesen war, seine liebevollen Grüße ans Ende der Sekretärsbriefe hinzukrakeln. Wieso wusste er das nicht? Weshalb hatte er es nie bemerkt ?
Aber sie hatte sich ja auch getäuscht. Sie war sich nicht sicher, was sie für Ash bedeutete. Seine Geliebte war sie nicht, zumindest nicht im körperlichen Sinne. Doch sie war etwas beängstigend Intimeres für ihn, als sie angenommen hatte.
Er hatte ihr die ganze Zeit die Wahrheit gesagt; sie war diejenige gewesen, die Lügennetze gesponnen hatte. Sie sah seinen Bruder an, sah das halb trotzige Lächeln in seinem Gesicht, als redete er sich ein, sich nichts aus dem Verschwinden des Älteren zu machen.
„Ich dachte“, sagte er, „dass ich froh wäre, wenn Ash abreisen würde, weil ich mich dann besser auf meine Arbeit konzentrieren kann. Doch wie sich nun herausstellt, stört es mich trotzdem. Er hat versprochen, den letzten Teil des Sommers mit mir zu verbringen. Und nun stehen wir da. Nicht mal so viel bedeute ich ihm.“
Margaret schüttelte den Kopf, gleichermaßen von Mitleid und Zorn erfüllt. Sie hatte einen Kloß im Hals. Als sie endlich wieder sprechen konnte, sagte sie: „Für einen intelligenten Mann können Sie, Mr Mark Turner, ganz schön dumm sein.“
11. KAPITEL
M ark war nicht der einzige Dummkopf. Die Tage vergingen, eine Woche war um – und immer noch war Ash Turner nicht zurückgekehrt. Der August ging in den September über. Margaret kam sich in dieser Zeit merkwürdig isoliert vor. Mark hatte sich in sein Zimmer zurückgezogen und arbeitete fieberhaft an seinem Werk. Hin und wieder bekam sie ihn im Vorübergehen zu sehen – und selbst dann ging er einfach mit abwesender Miene an ihr vorbei, als plante er bereits das nächste Kapitel in seinem Buch. Durch die körperliche beziehungsweise geistige Abwesenheit der Turners war es beinahe so, als wäre Margaret wieder die angesehene Tochter des Hauses.
Seit Ashs Abreise hatte sie es sich zur Gewohnheit gemacht, sich am späten Vormittag in der oberen Galerie zu ergehen. Die breiten Fenster gingen nach Osten hinaus; in der spätsommerlichen Hitze war es in ihrer Kammer viel zu warm. Von ihrem Aussichtspunkt im ersten Stock konnte sie hinausblicken auf die Straße nach London, die über grüne Hügel in das Tal führte, in dem Parford Manor stand. Oben in der Galerie war sie allein und konnte nachdenken.
Als sie eines Morgens wieder auf die Straße nach London hinausblickte, entdeckte sie dort eine schimmernde Staubwolke. Während der letzten Tage hatte Margarets Herz öfter schneller geschlagen, weil sie ähnliche Staubwolken für Reiter gehalten hatte. Normalerweise war es nichts, nur eine Luftspiegelung aufgrund der Hitze und Trockenheit oder ein Rabe, der auf der Straße landete.
Das Haus lag am Fuß der Hügel, durch die die Straße sich schlängelte und daher nicht überall einsehbar war. Margaret starrte auf die Hügel, versuchte zu erraten, wo ein Reiter als Nächstes erscheinen würde. Bei langsamem Trab würde er genau hier …
Nichts. Nur das Wogen trockener Gräser, unterbrochen von Steinmauern und dunkelgrünen Hecken.
Sie wusste nicht so recht, warum sie überhaupt noch Ausschau hielt.
Aufmerksam schaute sie auf den nächsten Straßenabschnitt, doch niemand erschien. Es war dumm von ihr, noch auf ihn zu hoffen, und noch alberner zu glauben, dass er zurückkehren würde. Aber schon seit Wochen war ihr bewusst, dass sie eine dumme Gans war, sobald es um Ash ging – eine in sich zerrissene, verwirrte,
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