Historical Gold Band 261 (German Edition)
er es erwartet hatte. Um zwei Uhr am Nachmittag betrat ein hagerer, grauhaariger Gentleman namens Richard Long die Eingangshalle. Elizabeth hatte über Kopfschmerzen geklagt und sich nach oben ins Bett zurückgezogen. Reese begleitete Dr. Long hinauf, damit er sie untersuchen konnte, stellte ihn der bleich aussehenden Frau unter den Laken vor und ging dann nach unten ins Arbeitszimmer, wo er die Diagnose des Arztes abwarten wollte.
Reese versuchte, sich den Büchern zu widmen, die noch immer aufgeschlagen auf dem Tisch lagen, doch wie üblich fiel es ihm schwer, sich zu konzentrieren. Er versuchte, sich einzureden, dass er sich nicht um Elizabeth sorgte, dass er nur begierig darauf war, sie aus dem Haus zu haben.
Er starrte auf die Zahlen, die auf der Seite vor ihm standen, als es leicht klopfte und der Arzt sein Kommen ankündigte. Reese winkte ihn herein, und Dr. Long setzte sich auf einen braunen Lederstuhl auf der anderen Seite von Reeses großem Eichenschreibtisch.
„Wie geht es ihr?“, erkundigte er sich, eine Frage, die zu stellen er sich noch vor ein paar Tagen nicht hätte vorstellen können.
„Nicht gut, fürchte ich. Lady Aldridge ist außerordentlich erschöpft. Sie schwitzt stark, und ich fürchte, sie wird sich bald erbrechen. Ich habe eines der Hausmädchen zu ihr geschickt.“
Er ignorierte einen Anflug von Besorgnis. Wenigstens hatte sie nicht gelogen. Sie war krank, genau, wie sie es gesagt hatte.
„Die Countess war sehr offen zu mir“, fuhr Long fort. „Sie sagte mir, dass sie vermutet, jemand hätte ihr Drogen verabreicht, und ich glaube, dass sie mit dieser Vermutung recht hat.“
Ohne es zu merken, ballte Reese die Fäuste.
„Ich kann nicht sagen, wie die Drogen in ihren Körper gelangt sind“, fuhr der Arzt fort, „aber Ihre Ladyschaft scheint unter dem Einfluss von Laudanum zu stehen.“
Laudanum. Er kannte die Wirkungen dieser Droge, die häufig verabreicht wurde, um Schmerzen zu stillen. Er selbst hatte es in hoher Dosierung bekommen, als er verwundet worden war.
„Nach und nach ist sie abhängig geworden“, sagte Long. „Heute hat sie die Dosis, die man ihr sonst täglich eingeflößt hat, nicht bekommen, aber an diese Dosis ist ihr Körper gewöhnt. Bis die Droge vollständig aus ihrem Körper verschwunden ist, wird sie die Begleiterscheinungen eines Entzugs ertragen müssen.“
Reese hatte Mühe, seinen Zorn zu beherrschen. Elizabeth war unter Drogen gesetzt worden, und sie hatte den Mann, der sie eigentlich beschützen sollte, unter Verdacht. Reese unterdrückte den Impuls, seinen Degen zu ziehen und ihn Mason Holloway ins Herz zu stoßen.
Natürlich hatte er keinen Beweis dafür, dass Holloway verantwortlich war. Soweit er es beurteilen konnte, war es genauso gut möglich, dass sie die Drogen selbst eingenommen hatte. Viele Menschen wurden abhängig von dem Gefühl der Euphorie, das die Droge verursachte und dabei Anspannung und Schmerz unterdrückte – für eine Weile zumindest.
„Wie lange wird das dauern?“
„Einige Tage, denke ich. Nach den Symptomen zu urteilen, die sie beschreibt, muss die Dosis relativ klein gewesen sein.“
„Das ist vermutlich der Grund, warum sie nicht weiß, wie man sie ihr zugeführt hat.“
„Werden Sie Anzeige erstatten?“
„Wie Sie schon sagten, es ist nicht klar, wie sie die Droge eingeflößt bekommen hat. Nicht einmal Lady Aldridge selbst ist ganz sicher, wer dafür verantwortlich ist.“
„Sie sind sich darüber im Klaren, dass der missbräuchliche Einsatz dieser Droge den Geist verändern und sogar zum Tode führen kann?“
„Das weiß ich.“
„Darf ich annehmen, dass Sie der Countess helfen werden, sich zu erholen?“
„Ja.“ Doch das Wort kam ihm nur schwer über die Lippen.
„Dann werden Sie ihr Schutz bieten, bis die Sache vorüber ist.“ Der Arzt musterte ihn aus seinen dunklen Augen. Es war offensichtlich, dass er in Sorge war.
Elizabeth würde bleiben müssen, aber wenn es keine Anstandsdame gab, würde sich diese Neuigkeit irgendwann herumsprechen und einen gewaltigen Skandal verursachen, weil sie in einem Junggesellenhaushalt wohnte. Was Elizabeth anbetraf, war ihm das egal, aber er musste an den Jungen denken.
„Ich werde meine Tante benachrichtigen. Ich bin sicher, sie ist einverstanden, hierher zu kommen, während Elizabeth sich erholt.“
In Wirklichkeit allerdings war er nicht völlig davon überzeugt. Seine Großtante Agatha, Dowager Countess of Tavistock, hatte es stets
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