HISTORICAL JUBILÄUM Band 03
unbemerkt hätte entkommen wollen, wäre er wohl nur durch die Brandung geritten, wo jegliche Spuren sogleich von den Wellen fortgespült wurden.
Als ihm das ganze Ausmaß von Oswalds teuflischem Plan klar wurde, verlangsamte Kane das Tempo. Sein Vetter legte es darauf an, dass er ihm folgte. Mehr noch, er forderte ihn dazu heraus.
Kane erreichte jetzt die Bucht, in der gewöhnlich die Un daunted vor Anker lag. Ein Pferd stand am Strand, festgebunden an einem Felsen. Das Beiboot war verschwunden. An dem dem Meer zugewandten Ende der Bucht erkannte er die Segel der Undaunted . Sogar das Rasseln der Kette, als der Anker gelichtet wurde, war zu hören.
Kane ließ sich aus dem Sattel gleiten und riss sich seinen Rock und die Stiefel vom Körper, während er ins Wasser watete. Er musste sich seines Schwertes entledigen und auch seine Pistole zurücklassen. Das Gewicht der Waffen würde ihn nur belasten und sein Vorankommen verlangsamen. Außerdem wäre die Pistole nicht mehr zu gebrauchen, sobald das Pulver nass würde. Ihm blieb nur sein Messer.
Das Schiff befand sich in mindestens tausend Yard Entfernung zum Land und bewegte sich ständig weiter fort. Kane war ein guter Schwimmer, doch es würde einer schier übermenschlichen Anstrengung bedürfen, die Undaunted jetzt noch einzuholen. Selbst wenn er es schaffte, würde er keine Kraft mehr haben, den Kampf gegen Oswald aufzunehmen.
Doch all das zählte nicht. Nur Bethany war jetzt noch wichtig. Solange Kane sein Leben für ihres geben konnte, würde er als glücklicher Mann sterben.
Er tauchte unter den Wellen hindurch und kam nur zum Luftholen an die Wasseroberfläche. Seine Stärke entsprang jetzt reiner Verzweiflung.
„Sieh nur, Großvater.“ Darcy zügelte ihr Ross, sprang ab und deutete auf die beiden Pferde, die am Strand der Bucht standen. Sie und die anderen waren den Spuren von Kanes Hengst gefolgt, wobei die älteren Herrschaften es vorgezogen hatten, sich von Newt in einer Kutsche fahren zu lassen.
„Was, zum Teufel …“Verwirrt schaute Geoffrey in die Runde und erntete gleichermaßen verständnislose Blicke. „Man möge mir meine Ausdrucksweise verzeihen. Aber wo sind sie denn geblieben?“
Newton wies mit einer Hand auf die in der Ferne erkennbaren weißen Segel der Undaunted . „Da draußen“, antwortete er.
Geoffrey Lambert war wie vom Donner gerührt. „Wir müssen eine Möglichkeit finden, ihnen zu folgen.“
„Das überlassen Sie ruhig mir, Captain“, erwiderte Newt, stieg vom Wagen und mit einiger Mühe auf Darcys Pferd. Ohne ein weiteres Wort ritt er davon und war gleich darauf in der Dunkelheit verschwunden.
Bethany lag noch immer auf dem Boden des Oberdecks, eine Wange dicht auf die Planken gepresst. So konnte sie hören, wie das Schiff ächzte und knarrte, als es sich durch die Wellen arbeitete. Zwar lagen die Untiefen noch nicht vollständig hinter ihnen, doch Bethany konnte fühlen, wie das Schiff an Fahrt zunahm, als der Wind in zunehmendem Maße die Segel füllte.
„Ein Wort der Warnung“, rief sie zu Oswald hinüber. „Nur ein erfahrener Seemann kann sicher durch die Untiefen steuern.“
Er stieß einen Laut der Verachtung aus. „Soll das etwa ein jämmerlicher Versuch sein, mich dazu zu bringen, deine Fesseln zu lösen? Willst du mich tatsächlich glauben machen, du wüsstest, wie diese Gewässer zu bewältigen sind?“
Bethany schwieg, denn es gab keinen Zweifel daran, dass Oswald nicht bereit war, ihr Gehör oder Glauben zu schenken. Sie beobachtete ihn jedoch aufmerksam, und schon wenig später sah sie, wie er zu kämpfen hatte, um das Schiff in letzter Sekunde vor einem Zusammenstoß mit einem halb aus dem Wasser ragenden Felsblock zu bewahren.
Er hatte große Mühe, das Ruder ruhig zu halten. Während er das Schiff durch die felsigen Untiefen steuerte, erklang plötzlich ein schabendes Geräusch. Der Segler erzitterte kaum merklich, bevor er seinen Weg fortsetzte.
„Was war das?“ In Oswalds Augen flackerte Furcht auf.
„Wir wären beinahe auf Grund gelaufen“, erklärte Bethany. „Ich habe Sie gewarnt, aber Sie wollten ja nicht auf mich hören. Die Untiefen hier sind die gefährlichsten an der gesamten Küste von Cornwall. Meine Schwestern und ich sind seit frühester Kindheit damit vertraut.“
Er kam zu ihr und riss sie unsanft hoch. Dann zog er sie mit sich, bis sie vor dem Steuerrad standen. Aus seinem Hosenbund zog Oswald ein Messer und schnitt damit die Handfesseln durch. „So“, sagte er,
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