Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
HISTORICAL JUBILÄUM Band 03

HISTORICAL JUBILÄUM Band 03

Titel: HISTORICAL JUBILÄUM Band 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: RUTH LANGAN
Vom Netzwerk:
die anderen denken, Winnie. Das war schon immer so.“
    Das alte Kindermädchen straffte die Schultern. Mit den Jahren hatte sie gelernt, wann sie nachgeben musste und in welchem Fall diese eigensinnigen jungen Frauen eine Zurechtweisung verdienten. Sie hatte sich auf einen längeren Wortwechsel eingestellt.
    „Es mag dich nicht kümmern, was die Dorfbewohner denken. Aber du schuldest es Grays Andenken, teilzunehmen.“
    „Aber ich …“
    Miss Mellon hielt die Hand hoch. „Du hörst mir jetzt zu, Darcy. Heute Abend wirst du deine eigenen Gefühle zurückstellen. Du wirst die Lesungen aus der Bibel und die Kirchenlieder über dich ergehen lassen, auch wenn dein Herz gebrochen ist. Du wirst das tun, weil es richtig ist und deine Familie und deine Freunde es von dir erwarten. Aber hauptsächlich wirst du es tun, um das Andenken des edlen jungen Mannes in Ehren zu halten, den du immer geliebt hast.“
    Darcy hielt ihre Widerworte zurück, die ihr auf der Zunge brannten, und nickte schließlich.
    „Fein.“ Miss Mellon tätschelte ihre Schulter. „So ist es recht, Kind. Reiß dich zusammen, und bereite dich auf den Gottesdienst vor.“
    Sie wandte sich ab und verließ das Schlafgemach. Am unteren Treppenabsatz wartete der Rest der Familie. Miss Mellon nickte steif und sah, dass die anderen vor Erleichterung aufatmeten.
    Ohne ein Wort zu verlieren, ging sie weiter, und es gelang ihr, die Tränen so lange zurückzudrängen, bis sie ihr eigenes Zimmer erreicht hatte. Erst dann ließ sie es zu, um das Kind zu weinen, das ihr in all den Jahren so viele ängstliche Momente beschert hatte. Sie trauerte mit der anmutigen jungen Frau, die sie geworden war. Es tat ihr in der Seele weh, dass das arme Mädchen nun den Mann beerdigen würde, der sie zu seiner Braut machen wollte.
    Sämtliche Bänke der kleinen Dorfkirche waren besetzt. Aus allen Teilen von Land’s End kamen die Leute herbei, um den Seeleuten ihre Anerkennung zu zollen, die ihr Leben an Bord der Carrington verloren hatten. Die Frauen sahen düster aus in ihren dunklen Gewändern und Hauben, und die Kinder waren ungewöhnlich still. Die Männer, ob jung oder alt, nickten bei jedem Wort, das der Vikar Thatcher Goodwin sprach. Alle Männer, Frauen und Kinder in Cornwall verstanden, welchen Gefahren sich die Seeleute jedes Mal ausgesetzt sahen, wenn sie sich auf den Atlantik hinauswagten. Die See war eine strenge Gebieterin. Eine wankelmütige und oft feurige Geliebte, die einem Mann aus einer Laune heraus das Herz oder auch das Leben rauben konnte – und die trauernde und klagende Witwen und Waisen zurückließ.
    Darcy saß bei ihrer Familie und rang um Fassung. Während all der endlosen Gebete, Lesungen und Kirchenlieder, die ihr Herz rührten, blickte sie starr geradeaus und weigerte sich, zu denjenigen hinüberzuschauen, die Tränen vergossen. Denn wenn sie es täte, würde sie sich dem Mitleid öffnen und dem Kummer, der schließlich einen wahren Sturzbach aus Tränen bei ihr auslösen könnte.
    Der Trauer der Kirchengemeinde wollte sie sich nicht anschließen. Sie konnte es nicht. Und so saß sie in der Bank, hielt die Hände auf ihrem Schoß zu Fäusten verkrampft und richtete die starren, trockenen Augen in die Ferne.
    Sie hatte sich nach innen gekehrt. Dort lag ihre Stärke, ihre Rettung, sich dieser trauernden Menge zu widersetzen. Sie sah sich allein auf einer Klippe stehen und auf die schäumende See hinabblicken. Das Meer konnte ihr nichts anhaben, vermochte ihr kein Leid zuzufügen. Und bald, wenn die See ihre Kraft erkannte, würde sie den Mann wieder freigeben, den sie ihr hatte wegnehmen wollen.
    Als der ermüdende Gottesdienst schließlich zu Ende war, seufzte Darcy erleichtert und folgte ihren Schwestern durch den Mittelgang.
    Sie erschrak, da jemand hastig ihre Hand ergriff und eine hohe Stimme an ihre Ohren drang.
    „O Darcy. Ich wollte es nicht glauben, als ich erfuhr, dass Gray einer derjenigen ist, die ihr Leben an Bord der Carrington lassen mussten.“ Edwina Cannon stand vor ihr und schlang die Arme fest um sie, obwohl Darcy sich der aufdringlichen Frau entziehen wollte. „Ich weiß, wie du dich jetzt fühlst.“
    Die junge Frau sah mit Befriedigung, dass mehrere Leute stehen geblieben waren und in ihre Richtung schauten. Da sie es stets genoss, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, fuhr Edwina mit einer noch lauteren und höheren Stimme fort: „Mir erging es genauso, als ich meinen geliebten Silas verlor. Er war noch so jung. Wie dein

Weitere Kostenlose Bücher