HISTORICAL JUBILÄUM Band 03
Gray. Ich war am Boden zerstört.“ Sie stieß einen übertriebenen Seufzer aus. „Aber nach einiger Zeit gelang es mir, mich zusammenzunehmen. Auch du wirst es schaffen.“
Darcy löste sich aus Edwinas Armen und fühlte, dass ihr Gesicht brannte, als sie merkte, wie viele Leute sie anstarrten. „Hab Dank, Edwina. Jetzt muss ich wirklich gehen.“
„Nein.“ Edwinas Fingernägel bohrten sich in Darcys Haut, während sie ihr Handgelenk umklammerte. „Diese guten Menschen sind gekommen, um ihr Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen.“ Sie drehte sich um und schenkte den Leuten, die zuhörten, ein verhaltenes Lächeln. Kein Zweifel, sie kostete ihre Rolle als Trauernde wahrlich aus. „Allein der Anstand gebietet, dass man etwas verweilt, um die Beileidsbezeigungen all derer entgegenzunehmen, die Gray kannten und liebten.“
In Darcys Augen lag ein wildes Funkeln – ein sicheres Anzeichen dafür, dass sie sich nicht länger beherrschen konnte. Ihre Schwestern hatten dies bemerkt und stellten sich rasch zwischen Darcy und die junge, taktlose Frau.
Bethany biss die Zähne zusammen, doch sie rang sich ein dünnes Lächeln ab. „Danke für deine Anteilnahme, Edwina. Aber wir müssen jetzt wirklich gehen.“
„Aber ich …“
Die schrille Stimme verstummte, als Bethany einen Arm um Edwinas Schultern legte und die aufdringliche Frau in eine Kirchenbank zog. Im selben Augenblick ergriff Ambrosia Darcys Hand und führte sie inmitten der anderen Gemeindemitglieder zum Portal der Kirche.
„Hier entlang, mein Mädchen.“ Geoffrey erkannte die angespannte Lage und deutete auf einen Seitenausgang.
Wenige Minuten später waren sie unbemerkt aus der Tür geschlüpft. Unmittelbar vor den Treppenstufen wartete Newton schon mit der Kutsche. Als alle eingestiegen waren, knallte er mit der Peitsche, und das Pferdegespann fiel in einen leichten Trab.
Ambrosia und Bethany drehten sich um und sahen, dass Edwina Cannon und ihre Mutter, umringt von zahllosen Dorfbewohnern, gerade ins Freie traten.
„Seht sie euch an“, meinte Bethany. „Wie ich Edwina kenne, so wird sie die Menge bestimmt noch eine Stunde lang mit ihrem eigenen schmerzhaften Verlust in ihren Bann schlagen.“
„Ja“, pflichtete Ambrosia ihrer Schwester bei. „Was für eine dumme Gans sie doch ist! Gerade tat sie so, als habe sie einen geliebten Menschen verloren. Hat sie denn ganz vergessen, was für ein niederträchtiger Schurke dieser Silas Fenwick gewesen ist?“
„Da hast du recht“, schaltete sich Mistress Coffey empört ein, die sich sonst immer mit einem Urteil zurückhielt. „Immerhin hat dieser Lord Fenwick dir und deinem Riordan nach dem Leben getrachtet und obendrein ein Komplott gegen den König geschmiedet. Wie sich ja später herausstellte, hatte er es auch auf Edwinas Leben und das ihrer Mutter abgesehen. Und diesem Mann trauert sie auch noch hinterher?“ Die alte Haushälterin stieß einen unwirschen Laut aus und sah kopfschüttelnd aus dem Kutschfenster.
Ambrosia hob die Stimme und machte Edwinas schrillen Tonfall nach. „Ich Arme. Keiner hat je so gelitten wie ich.“
Während die anderen über ihren beißenden Spott lachten, warf Ambrosia einen Blick auf ihre jüngste Schwester – Darcy hatte die ganze Zeit über teilnahmslos neben ihnen gesessen und sich in ein undurchdringliches Schweigen zurückgezogen.
2. KAPITEL
„Das Essen war köstlich, Mistress Coffey.“ Wie immer gelang es Riordan Spencer, der alten Haushälterin mit einem einfachen Kompliment eine leichte Röte auf die Wangen zu treiben. „Ich denke, Ihr werdet es noch bereuen, dass wir unser Haus in unmittelbarer Nähe errichten lassen. Ambrosia und ich werden vermutlich jeden Abend herüberkommen, um Eure Kochkünste zu preisen.“
„Es würde mir Freude bereiten.“ Mistress Coffey goss reihum Tee ein. „Ich wünschte nur, wir könnten Bethany und Kane überreden, öfter zu kommen.“
„Das würden wir gerne tun, wenn Mistress Dove nicht immer so unruhig wäre.“ Bethany nippte an dem Tee und lächelte ihren Gemahl an. „Jedes Mal, wenn wir hier waren, brauchten wir zwei Tage, um ihr zu versichern, dass wir ihre Dienste immer noch schätzen.“
„Nun, es erfüllt mein Herz mit Freude, meine drei Mädchen um mich zu haben.“ Die alte Frau sah Darcy an, die blass und still am Tisch saß. Sie hatte während der Mahlzeit kein einziges Wort gesagt.
In den vergangenen Wochen war sie kaum mit den anderen beisammen gewesen. Zuerst hatte sie Stunden auf
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