Historical Lords & Ladies Band 39
misstrauischen Blick zu, doch seine Miene war ausdruckslos.
Man begab sich ins Freie, wo die Fahrzeuge bereitstanden. Philip half der Tante in die Berline, während ihr Neffe auf den Kutschbock des Phaeton kletterte.
Antonia ärgerte sich, dass sie nicht dazu gekommen war, Philip eine Absage zu erteilen, falls er sie aufgefordert hätte, an seiner Seite nach Sussex zu fahren. Verstimmt wollte sie in den Wagen steigen und ergriff nur widerstrebend die Hand, die Philip ihr hilfreich hinhielt. Unvermittelt hob er ihre Hand zum Kuss an die Lippen, und sogleich stockte ihr der Atem. Unter halb gesenkten Lidern schaute sie ihn an.
Er hielt ihrem Blick stand und sagte: „Angenehme Reise. Ich werde euch in Ticehurst Park empfangen und dich willkommen heißen.“
Antonia machte große Augen, als sie den begehrlichen Ausdruck in seinen bemerkte, und empfand ein wohliges Prickeln. Sie bemühte sich, es nicht zu beachten, und entgegnete in dem Vorsatz, Philip zu verstehen zu geben, dass sie seine erkennbare Absicht nicht billigte, beim Einsteigen: „Ich bin sicher, in Ticehurst Park wird es viele Ablenkungen geben.“
„Darauf kannst du dich verlassen, meine Liebe“, erwiderte er spröde.
Sein verheißungsvoller Ton irritierte sie bis zur Ankunft in Ticehurst Park, und verwundert überlegte sie, was ihr zukünftiger Gatte vorhaben mochte. Sie hatte noch keine Antwort auf die Frage gefunden, als die Kutsche hielt. Sobald der Wagenschlag geöffnet worden war, stiegen die Zofen aus, und ein Lakai half der Tante aus der Berline. Antonia sah Philip gelassen die Freitreppe herunterschreiten und zur Kutsche kommen. Wie versprochen, war er ihr beim Aussteigen behilflich.
„Sosehr es mir auch widerstrebt, muss ich doch sagen, dass ich mich auf Miss Dallings Seite stelle. Ihre Situation ist ernster, als ich sie mir vorgestellt hatte.“
Verständnislos schaute Antonia Philip an.
Er legte ihre Hand in seine Armbeuge und ging mit ihr die Stufen hinauf. „Nach der Ankunft mussten Geoffrey und ich eine widerwärtige Szene miterleben“, erklärte er. „Lady Ticehurst versuchte, mir mit aller Macht einzureden, ihre Nichte habe Hammersley bereits als Gatten akzeptiert. Ich habe den Eindruck, dass der Hang zu dramatischen Übertreibungen eine in Miss Dallings Familie vererbte Eigenschaft ist. Der Gipfel war, dass Miss Dalling, für die ich ein gewisses Mitgefühl empfinde, mich inständig um unsere Hilfe ersucht hat, ihr beizustehen, damit sie keine ihr aufgezwungene Ehe eingehen muss.“
„Du lieber Himmel!“, äußerte Antonia bestürzt. „Ist Miss Dalling wütend?“
„Schlimmer noch, sie ängstigt sich zu Tode“, antwortete Philip. „Überzeuge dich selbst.“
Antonia sah, dass die Gastgeberin und deren Nichte sich zum Empfang vor dem Portal eingefunden hatten. Kaum war sie dort angelangt, stellte sie fest, dass Philip nicht übertrieben hatte. Miss Dalling stand stumm und niedergeschlagen neben ihrer Tante, und aus ihren Augen sprach Verzweiflung. Antonia begrüßte die Countess of Ticehurst und wandte sich dann deren Nichte zu.
„Ich bin so froh, dass Sie gekommen sind“, raunte Catriona ihr aufgeregt zu und ergriff ihre Hand. „Kommen Sie! Ich zeige Ihnen, wo Sie untergebracht sind. Ich muss mich jemandem anvertrauen, der mich versteht. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wären Sie nicht zu Besuch gekommen.“
Antonia folgte Miss Dalling in die düstere, mit dunklem Holz getäfelte Eingangshalle. Alte Waffen und verblasste Gobelins zierten die Wände. Das Feuer im Kamin qualmte. Das Mobiliar war nachgedunkelt und altertümlich. Mitten im Vestibül blieb sie stehen und starrte die prächtig geschnitzte, in die Bel Etage und zur Galerie führende Prunktreppe an.
„Willkommen in Ticehurst Park mit seinen lieblichen Reizen.“
Unwillkürlich zuckte Antonia beim Klang von Philips Stimme zusammen und warf stirnrunzelnd einen Blick über die Schulter.
„Die Halle entbehrt nicht eines gewissen Charmes, nicht wahr?“, fragte Philip trocken.
Ungeduldig wollte Catriona Miss Mannering mit sich weiterziehen.
Rasch beugte Philip sich vor und raunte Antonia zu: „Lass sie nicht allein, nicht einmal dann, wenn du dich ankleidest.“
Antonia nickte, legte ihr den Arm um die Schultern und ging mit ihr in das obere Stockwerk. Sie wurde in ein geräumiges, wenngleich etwas bedrückend wirkendes Zimmer geführt, in dem sich bereits die Zofe befand, die sich um das Gepäck kümmerte.
Nach einem misstrauischen Blick
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