Historical Lords & Ladies Band 39
ihr einen wohligen Schauer.
Er führte sie zu einem Fauteuil, half ihr beim Platznehmen und händigte ihr die von der Stiefmutter eingeschenkte Tasse aus.
Nie zuvor hatte jemand sie derart aus dem inneren Gleichgewicht gebracht. Sie hatte Herzklopfen und musste sich zwingen, die unerwartete innere Erregung nicht zu erkennen zu geben. Es irritierte sie, dass sie dermaßen empfänglich für Lord Ruthvens Nähe war, und sie wünschte sich, bald wieder ausgeglichen zu sein. Zu ihrer Erleichterung wurde er von ihrer Tante abgelenkt, die ihm vorschlug, ein Fest zu veranstalten.
„Wir haben jahrelang keins gegeben“, setzte Henrietta hinzu. „Da Antonia nun hier ist, kann sie mir bei den Vorbereitungen helfen.“
„Wie du meinst“, erwiderte Philip gedehnt.
Antonia entging nicht, dass er nicht begeistert war.
„An sich hatte ich einen Ball im Sinn, zu dem ich nur Nachbarn einladen wollte“, fuhr Henrietta fort. „Antonia hat mich jedoch darauf hingewiesen, nach der langen Zeit sei es angebracht, unseren Pächtern etwas Unterhaltung zu bieten.“
Philip tauschte einen Blick mit dem Freund und sah dann zu Miss Mannering hinüber. Sie hatte die Lider gesenkt und nippte an ihrer Tasse.
„Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass sie recht hat“, meinte Henrietta.
„Und welcher Art soll dieses Fest sein?“, erkundigte Philip sich misstrauisch.
„Ich denke an eine Lustbarkeit im Park“, antwortete sie eifrig, „und zwar möglichst bald, damit das Wetter uns keinen Streich spielt. Was hältst du von Samstag in einer Woche? Es versteht sich von selbst, dass du anwesend sein musst!“
Philip war nicht von der Aussicht angetan, zahllose Pächter mit ihren Familien willkommen heißen, zu einfältigen, albernen Mädchen höflich sein und die überall herumtobenden, kreischenden und Unfug treibenden Kinder ertragen zu müssen. Irgendwann fiel dann auch noch unweigerlich jemand in den See, und es gab einen schrecklichen Aufruhr.
„Meinst du nicht, dass die Anforderungen, denen du dich als Gastgeberin eines so umfangreichen Gartenfestes stellen musst, dich überfordern könnten?“, fragte er skeptisch.
„Ich würde meine Tante selbstverständlich in jeder Hinsicht unterstützen“, warf Antonia ein.
Philip sah sie an und zog eine Braue hoch.
„Wie du gehört hast, musst du dir um mich keine Sorgen machen“, erwiderte Henrietta zufrieden. „Antonia kann mich bei den meisten meiner Pflichten vertreten. Ich gehe davon aus, dass ich mit den älteren Damen auf der Terrasse sitzen werde und von dort alles im Auge behalten kann.“
„Wie bequem für dich!“, bemerkte Philip trocken. „Miss Antonia hingegen wird nicht wissen, wo ihr der Kopf steht.“
„Sie werden feststellen, Sir“, schaltete sie sich gekränkt ein, „dass ich der mir zugedachten Aufgabe gut gewachsen bin.“
„Nun, ja“, murmelte Philip zweifelnd.
„Also abgemacht“, sagte Henrietta bestimmend. „Das Fest findet am Sonnabend in einer Woche statt. Gleich morgen werde ich die Einladungen verschicken.“
Philip sah, dass der Freund sichtlich verblüfft war. Er fühlte sich irgendwie überrumpelt, zögerte einen Moment, seine Einwilligung zu geben, und sagte schließlich gedehnt: „Ich bin einverstanden. Aber ich nehme Sie beim Wort, Miss Antonia.“
„Sie können sich auf mich verlassen“, erwiderte sie und schenkte ihm ein zuversichtliches Lächeln.
Das Gras war noch betaut, als Antonia sich zu den Wirtschaftsgebäuden begab. Sie betrat den Stall, ließ die Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnen und sah dann nach, ob Lord Ruthvens Grauschimmel sich noch in seinem Unterstand befand.
„Offensichtlich reiten Sie noch immer gern aus.“
Erschrocken drehte sie sich zum Baron um und erwiderte verwirrt: „Guten Morgen, Mylord. Ich habe Sie nicht hereinkommen gehört.“
„Das habe ich bemerkt. Sie hielten angestrengt nach etwas Ausschau. Wonach haben Sie gesucht?“
„Nach dem Stallmeister“, antwortete sie ausweichend. „Ich möchte, dass er mir ein Pferd sattelt.“
„Welches haben Sie bisher geritten?“, erkundigte sich Philip und fand sie in dem roten Amazonenkleid bezaubernd.
„Keins“, gab sie zu, raffte den Rock und schlenderte an den im Stall stehenden Pferden entlang.
Philip folgte ihr und forderte sie auf: „Treffen Sie Ihre Wahl, Miss Antonia.“
Sie bedankte sich und hielt vor dem Unterstand eines Rotfuchses an, der, wie Philip aus Erfahrung wusste, ein unberechenbares Wesen hatte.
„Diesen
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