Historical Platin Band 04
Messire Richard geruhte, mich zum Pagen zu nehmen.“
„Ich kann mir vorstellen, dass er darüber sehr erfreut war.“
Colet nickte und tat den nächsten Zug. Im gleichen Moment gab es auf der Straße ein Lärmen. Hastig sprang er auf, lief zum Fenster und stieß es auf. Sich hinausbeugend, rief er aufgeregt: „Eine prächtige Kavalkade hat vor dem Haus gehalten, Madame! Ich sehe die Sänfte Ihrer Gnaden!“
Erstaunt erhob sich Mellisynt und war im Begriff, sich zu dem Jungen zu gesellen, hielt indes inne, da vom Eingang her Bewegung entstand. Gleich darauf wurde die Tür geöffnet, ein Herold erschien und verkündete die Ankunft der Herzogin Constance de Bretagne.
Nur einen Herzschlag später erschien sie, gehüllt in einen mit weißer Seide ausgeschlagenen Umhang aus kostbarem Hermelin, darunter eine burgunderfarbene Tunika aus feinstem Samt. Sie war keine berückende Schönheit, hatte jedoch ein anmutiges Gesicht, ausdrucksvolle blaue Augen und schimmerndes dunkelbraunes Haar.
„Eure Gnaden“, sagte Mellisynt überrascht und erwies ihr die Ehre.
Lächelnd forderte Constance sie auf, sich zu erheben, und erwiderte freundlich: „Nach meiner Ankunft heute Vormittag musste ich nicht nur feststellen, dass mein Gebieter die Stadt verlassen hat. Es wurde mir auch zugetragen, dass sein ihm werter Kampfgefährte in meiner Abwesenheit sich sehr überstürzt vermählt hat und dessen Gattin krank darniederliegt. Daher beschloss ich, Euch aufzusuchen, und mich nach Eurem Befinden zu erkundigen. Leidet Ihr am Fleckfieber, Madame?“
„Nein, Hoheit“, antwortete Mellisynt irritiert.
„Worauf ist dieser ranzige Geruch zurückzuführen, der in dieser Kammer herrscht?“, wunderte sich Constance. „Sagt mir, Madame, seid Ihr auf die Hilfe eines Baders angewiesen?“
„Ich danke Euch für Eure Besorgnis, Eure Gnaden“, antwortete Mellisynt, „versichere Euch indes, dass ich nicht ernstlich erkrankt bin. Ich habe mich, da ich nicht im Sattel zu sitzen gewohnt war, auf der Reise hierher etwas aufgescheuert. Mein Gemahl hat mir eine Salbe gegeben, die aus Tran hergestellt wurde. Sie ist mir sehr dienlich, stinkt jedoch so abscheulich, dass ich befürchte, der üble Geruch wird noch Wochen in diesem Raum wahrzunehmen sein.“
Fassungslos schaute Constance einen Moment lang Madame d’Edgemoor an und lachte dann hell auf. „Das sieht Monsieur Richard ähnlich!“, erwiderte sie amüsiert. „Er versteht mehr von Rossen denn Weibern.“ Flüchtig schaute sie sich in der karg eingerichteten Kemenate um und befand dann: „Ihr werdet unverzüglich in das Logis meines Herrn umziehen! Ruft Eure Kammerfrauen, und tragt ihnen auf, Euer Gepäck zu richten.“
„Mein Gatte hat nicht erwähnt, dass wir in das Haus Eures Gemahls umsiedeln werden“, entgegnete Mellisynt überrascht.
„Er hat meine Abwesenheit zum Vorwand genommen, sich dem Hof zu entziehen“, äußerte Constance unwirsch. „Es schickt sich indes nicht, Madame, dass Ihr nun, da ich in der Stadt weile, Euch der herzöglichen Residenz fernhaltet. Daher habe ich Eurem Gemahl mitteilen lassen, er werde Euch heute Abend bei mir antreffen. Und nun begleitet mich, Madame.“
Mellisynt war unsicher, wie sie sich verhalten solle. Zum einen hatte sie sich dem Gebot der Landesherrin zu fügen, zum anderen sich jedoch dem Gatten unterzuordnen. Zudem fühlte sie sich nicht sonderlich geneigt, bei Hofe leben zu müssen.
„Pardon, Mesdames“, sagte Barthélemy ehrerbietig, betrat den Raum und verbeugte sich. „Monsieur Richard hat mich hergeschickt, damit ich Euch, Madame d’Edgemoor, ausrichte, Ihr hättet den Besuch Ihrer Hoheit …“ Betreten hielt er inne, da er die Fürstin sah, und murmelte dann: „Ihr seid gehalten, ihren Wünschen zu entsprechen.“ Flink erwies er den Damen die Reverenz und zog sich zurück.
„Ah, nun habt Ihr selbst gehört, dass selbst Euer eigensinniger Gatte sich mir zu beugen hat!“, sagte Constance zufrieden. „Und nun kommt, Madame! Die mich begleitenden Kämmerlinge werden Euch zur Sänfte tragen.“
Mellisynt sah sich genötigt, dem Befehl der Fürstin Folge zu leisten. Sie wies ihre Mägde an, ihr Gepäck zu richten, schlüpfte in einen Schultermantel und ließ sich von zwei kräftigen Bediensteten aus dem Haus bringen. Im strömenden Regen halfen sie ihr rasch in eine kunstvoll geschnitzte, vergoldete Sänfte und hoben diese dann auf das von zwei rassigen Schecken getragene Lastengestell. Dank der glühenden Kohlepfanne
Weitere Kostenlose Bücher