Historical Platin Band 04
Tross zu starkem Trab angehalten. Das ihn in leichter Rüstung begleitende Fußvolk war gezwungen, den Reitern im Laufschritt zu folgen.
Zum ersten Mal tat es ihm ein wenig leid, dass er ins Gefecht ziehen musste. Er wäre gern bei der Gattin geblieben, die ihn in der verflossenen Nacht mit ihrer Leidenschaft überrascht und weitaus früher denn beabsichtigt zum Gipfel der Lust getrieben hatte. Es fiel ihm schwer, sich zu erinnern, wann ihm zum letzten Mal derart die Selbstbeherrschung abhandengekommen war.
Zu seiner Überraschung gelang es ihm nicht, die Gemahlin aus dem Sinn zu verdrängen, und es bereitete ihm Unbehagen, dass er nicht dazu fähig war. Er war es nicht gewohnt, in Gedanken lange bei einem Weib zu verweilen, noch dazu bei einer Frau, die er sieben Nächte nach der Trauung nicht einmal richtig kannte, von der er nicht mit Sicherheit wusste, zu welchem Lager sie tendierte.
Weiber waren wankelmütige Geschöpfe, die schnell dazu neigten, den größten Vorteil für sich zu erlangen, ungeachtet aller Eide, die sie abgelegt haben mochten. Indes traf das, wie Richard sich verbittert vorhielt, auch auf zahllose Barone zu, die ganz nach Gutdünken die Partei wechselten, um, wie sie meinten, auf der Seite des Stärkeren zu stehen und ihren Vorteil daraus zu ziehen.
Die Sonne stand kurz vor dem Zenit, als die Kolonne den größten Teil der Strecke nach Brissac hinter sich gebracht hatte. Der vorausgeschickte Kundschafter kehrte mit der Meldung zurück, der Sieur de Brissac halte sich in der stark bewehrten Veste auf. Richard ließ die Soldaten rasten, harrte des Eintreffens des größeren Heerzuges und gesellte sich dann zu den Hauptleuten.
„Wenn es uns gelingt, die Burg in dieser Nacht zu erreichen, haben wir den Baron von Brissac in der Falle“, meinte Simon überzeugt.
Richard nickte. Messire Simon de Lacy, einer der Bannerführer Seiner Gnaden, war ein erfahrener Recke, der einem alten, an der Grenzmark zur Normandie ansässigen Geschlecht entstammte. Es wäre Richard lieb gewesen, auch die übrigen Hauptleute hätten die Umsicht und die Courage dieses Mannes gehabt.
„Ich bin anderer Ansicht“, entgegnete Villard. „So einfach wie beim letzten Mal wird die Burg uns nicht in die Hände fallen. Monsieur de Brissac hat viele Söldner geworben, die wacker kämpfen werden, weil sie sich in Zukunft von weiteren Raubzügen kostbare Beute erhoffen.“
„Sollten sie einen Ausfall wagen, kann es uns nur recht sein“, sagte Simon bedächtig. „Wir sind gut gerüstet und zahlenmäßig den Mannen des Sieur de Brissac gewiss überlegen.“
„Ja“, pflichtete Richard bei. „Indes gebe ich Euch zu bedenken, Messire de Lacy, dass er alles daransetzen wird, die Bastion zu halten, bis Prinz Richard ihm Verstärkung zuteil werden lässt. Ich bin überzeugt, er hat schon einen Kurier zu ihm entsandt.“
„Ich bezweifele, dass Seine königliche Hoheit ihm Entsatz bieten kann“, warf Villard ein. „Im Hinblick darauf, dass er sich nicht mehr im Lande aufhält, dürfte es schwierig sein, ihn rechtzeitig zu erreichen. Zudem hat er mit seinem Bruder einen Waffenstillstand geschlossen.“
„Das wird ihn nicht belasten, sofern er durch das Ersuchen des Sieur de Brissac die Möglichkeit bekommt, in unserer Grafschaft auf einen ihm loyalen Baron zurückgreifen zu können“, wandte Simon ein. „Im Übrigen dauert ein Frieden zwischen den Brüdern nur so lange, wie die Blacke auf dem Pergament zum Trocknen braucht. Ich befürchte, wir müssen Monsieur de Brissac belagern, bis er entweder alle Vorräte aufgebraucht hat oder wir von vielleicht doch eintreffenden Entsatztruppen in Scharmützel verwickelt werden.“
Richard ließ den Blick über die versammelten Hauptleute schweifen. Ein jeder von ihnen war ein kampferprobter Haudegen, von vernarbten Wunden gekennzeichnet, die er sich in so manchem schweren Gefecht zugezogen hatte. Alle hatten jedoch das jährliche Lehnsaufgebot gehalten und standen treu zum Herzog. Bei jedem wusste er, wie viele der vierzig Tage des jährlichen Dienstes für den Lehnsherrn noch abgeleistet werden mussten. Es würde schwierig werden, die Barone zu bewegen, über den erforderlichen Kriegsdienst hinaus weiterhin für den Herzog einzustehen. Jeder hatte seine Burg, der er nicht auf unabsehbare Zeit fernbleiben konnte. Zusicherungen für zusätzliche Burglehen würden vonnöten sein, um diese Vasallen weiterhin bei der Stange zu halten. Monsieur le Duc würde gewiss sehr zornig
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