Historical Platin Band 04
Mellisynt hinter Ailmer of Swanleys Weib eine schlanke, nicht sehr ansehnliche Frau, die unverhohlen wütend den Hauptmann, der sie vom Schiff nach Edgemoor geleitet hatte, und die Demoiselle anstarrte. Jäh wurde sie sich gewahr, dass es sich offenbar um dessen Gattin handelte, die auf Mademoiselle de Brissac eifersüchtig war. Und sogleich befürchtete sie, dass die anhaltenden Hartmonate, in denen man durch die Unbilden der Witterung genötigt war, sich innerhalb der Mauern der Burg aufzuhalten, möglicherweise unabsehbaren Ärger mit sich brachten.
10. KAPITEL
„Es ist mir gleich, wie hoch die erlittenen Verluste sind“, sagte Geoffroir gleichgültig. „Ihr werdet angreifen, Sire!“
„Bei allen Heiligen, Monseigneur!“, wandte Richard kopfschüttelnd ein. „Wollt Ihr wirklich alle diese Menschen Eurem Stolz opfern?“
„Habt Ihr gar die Absicht, mir die Gefolgschaft zu verweigern, Sieur?“, entrüstete sich Geoffroir. „Widerstrebt es Euch, in einer offenen Schlacht zu kämpfen, weil Ihr dann nicht so viel Beute machen könnt, als wenn Ihr eine nur schwach verteidigte Burg an Euch bringt?“
Entgeistert starrte Richard den Herzog an. Er brauchte einen Moment, um sich zu fassen, und fragte dann aufgebracht: „Sollen Eure Worte bedeuten, Hoheit, dass Ihr mich der Feigheit vor dem Feind bezichtigt?“
Abweisend sah Geoffroir seinen Gefolgsmann an und spürte die Zornesröte sich vertiefen.
Richard entging nicht, dass der Landesherr mit seinem aufbrausenden Naturell rang. Offenbar bezähmte dieser sich eingedenk des guten Verhältnisses, das sie beide bisher zueinander gehabt hatten. Schweißtropfen erschienen auf seiner Stirn und rannen ihm in die Augen.
Fahrig wischte Geoffroir sie sich aus und antwortete unwirsch: „Ach, fahrt zur Hölle, Sieur! Ihr wisst, dass ich Euch nie unterstellen würde, mir die Treue zu verweigern.“
Richard sah ihn verlegen lächeln, doch diesmal ließ er sich nicht vom berechnenden Wesen des Herzogs täuschen. Er war ihm gram und getraute sich nicht, in diesem Zustand der Erregung etwas zu äußern. Am liebsten hätte er den Souverain an den Schultern ergriffen und wutschnaubend geschüttelt, denn nie zuvor, in all den Sommern, die sie vertrauensvoll zueinandergestanden hatten, war es ihm widerfahren, dass der Herrscher seine Loyalität angezweifelt hatte. Wäre das durch jemand anderen geschehen, hätte er ihn unverzüglich zur Rechenschaft gezogen.
Geoffroir ahnte, dass er diesmal den Bogen überspannt hatte. Er streckte die Hand aus und legte sie dem langjährigen Kampfgefährten beschwichtigend auf den Arm. „Verzeiht meinen Ausbruch, Sire Richard! Wahrscheinlich ist er auf die Hitze und die seit fast vier Monaten vergeblichen Mühen zurückzuführen, den Comte de Toulouse dingfest zu machen. Kein Wunder, dass ich reizbar und ungeduldig geworden bin.“
Zum ersten Mal seit vielen Nächten war Richard wieder mit dem Landesherrn einer Meinung. Der Grandseigneur hatte tatsächlich im Verlauf der kriegerischen Auseinandersetzungen mehr und mehr die Geduld verloren und als Folge davon auch die strategische Umsicht. Es hatte ihm nicht genügt, die Veste Montauban einzunehmen. Vielmehr gelüstete es ihn nach weiteren Landgewinnen in der Grafschaft.
Der Mond hatte schon viermal gekreist, und noch immer gelang es dem Comte de Toulouse, die Söldnerheere des Duc d’Anjou weiter auf sein Hoheitsgebiet zu locken, wo sie dann verbrannte Weiler, verwüstete Landstriche und vergiftete Brunnen vorfanden. Nun darbte das Kriegsvolk und war mürrisch und aufsässig geworden, sodass zunehmend die Gefahr der Fahnenflucht bestand. Ungeachtet dieser heiklen Situation gedachte der Herzog, seine Truppen zu teilen und die eine Hälfte gen Westen zu entsenden, um rechts der Garonne nach dem sich angeblich dort aufhaltenden Markgrafen zu fahnden. Die übrigen Söldner hingegen sollten nach Toulouse ziehen, die Stadt belagern und schließlich stürmen.
„Ihr hattet im Hornung Euer Ziel erreicht, Monseigneur“, gab Richard ihm zu bedenken. „Ich begreife nicht, warum Ihr wider alle Hindernisse und jeden guten Rat den Streit jetzt im Grasmonat noch tiefer ins Land tragen wollt. So es Euch genehm ist, es mir zu erklären, wüsste ich gern, was Euch dazu bewegt.“
„Mir ist nicht klar, weshalb Ihr Einwände gegen meine Entscheidungen habt, Sire!“, entgegnete Geoffroir verstimmt. „Wieso erkennt Ihr nicht die Notwendigkeit, den Grafen von
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