Historical Platin Band 04
Toulouse ein für alle Mal seiner Würde zu entheben, damit Ruhe an den Grenzen herrscht?“
„Ich vertrete den Standpunkt, dass Ihr auf lange Sicht keinen Vorteil haben werdet, so Ihr dem Comte Raymond das Erbgut der Gräfin von Toulouse entreißt. Ihr wisst, dass es inzwischen, wie die Grafschaften Bourbon, Forez, Auvergne und Barcelona, zwischen denen es liegt, ein Lehen des Königs von Frankreich ist. Solltet Ihr es besetzen, wird der französische Monarch nicht untätig bleiben und mit großen Söldnerscharen gegen Euch anrennen. Es sei denn, Seigneur, Ihr habt mit ihm ein Abkommen getroffen, Euch auf seine Seite zu schlagen und mit ihm gemeinsame Sache gegen Euren Herrn Vater zu machen.“
Geoffroir senkte die Lider, wandte sich ab und schritt im Zelt hin und her.
Unwillkürlich hatte Richard das Empfinden, die Vermutung, die er seit Langem hegte, entspreche der Wahrheit. Er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Herzog eine Allianz mit seinem königlichen Vetter auf dem französischen Thron einzugehen bereit war.
Geoffroir blieb stehen, sah stirnrunzelnd seinen Statthalter an und erwiderte gedehnt: „Nein, ich habe meinem Cousin keinerlei Versprechungen gemacht, wiewohl es zutrifft, dass er von mir erwartet, ich möge ihm helfen, die Macht über das Kronlehen meines Vaters in Frankreich zu erlangen. Daher hat er mir Unterstützung für die Kampagne gegen den Grafen von Toulouse angeboten, die ich indes zurückgewiesen habe. Ich befinde mich in einer misslichen Lage, Sire. Beide Parteien wollen, dass ich mich auf ihre Seite stelle. Ich wiederum möchte den mir zustehenden Rang einnehmen und mein eigener Herr sein.“
„Niemand ist frei von Bindungen“, hielt Richard ihm vor, „nicht einmal ein König. Ihr seid der Vasall des Herrschers von England, Eures Vaters, der Euch mit dem Herzogtum Bretagne belehnt hat. Dem Spross des Hauses der Kapetinger, Eurem französischen Vetter, seid Ihr nichts schuldig und würdet meines Erachtens nach auch nichts gewinnen, so Ihr ihm in die Hände spielt. Er würde Euch nur für seine Zwecke benutzen.“
„Das ist mir klar“, räumte Geoffroir ein. „Daher muss ich Toulouse erobern, auch wenn mein Vater mir ebenfalls davon abgeraten hat. Ich will ihm und meinem königlichen Cousin beweisen, dass ich auf keinen von beiden angewiesen bin, um mir mein eigenes Hoheitsgebiet zu verschaffen. Sie sollen erkennen, dass ich ebenso wie mein Bruder Richard imstande bin, über meine Domänen zu herrschen.“
Im Stillen musste Richard zugeben, dass der Herzog nicht ganz unrecht hatte. Gelang es diesem zu zeigen, dass er sich behaupten konnte, erwuchs in ihm zweifellos ein Machtfaktor, mit dem man als Ausgleich zwischen den verfeindeten Lagern des englischen wie des französischen Monarchen rechnen musste, vorausgesetzt, er war willens, sich als Mittler zu betätigen. Richard fühlte sich versucht, ihm zu glauben, da er den Wunsch verspürte, den Grimm über die zuvor erlittene Kränkung zu verdrängen und wieder das gute Verhältnis zu seinem Lehnsherrn und Kampfgefährten zu gewinnen, das sie bislang verbunden hatte.
„Ihr werdet den Angriff auf Toulouse befehlen, Sire“, fuhr Geoffroir in bestimmendem Ton fort. „Fällt die Hauptstadt der Grafschaft, muss Comte Raymond sich ergeben. Sobald er in meiner Gewalt ist, kann ich, und das gelobe ich, einen für beide Seiten annehmbaren Friedensvertrag mit ihm aushandeln.“
Ein Weilchen schaute Richard den Herzog bedenklich an, nicht sicher, ob er sich auf dessen Wort verlassen könne. Schließlich entschloss er sich, ihm zu glauben, und nickte bedächtig.
Richard achtete nicht des ihm über das Gesicht triefenden Schweißes. Das Gefecht wogte mit voller Heftigkeit, und der Lärm war ohrenbetäubend. Die Schreie Verwundeter gellten über das Schlachtfeld; Sterbende wanden sich in ihrem Blut. Das laute Klirren der Schwerter dröhnte über die Flur, mischte sich in das Wiehern der Streitrosse, die anfeuernden Rufe der Bogenschützen, Speerknappen und Pikiere. Geschosse prallten auf Rüstungen, eisenbewehrte Pfeile, die Rüstung durchschlagende Bolzen, Barbillone, deren Widerhaken sich durch die Scheiben ins Fleisch des Gegners bohrten. Faustgroße Brocken wurden von den Steinbrechern abgeschleudert und Brandsätze in hohem Bogen hinter die Burgmauern geworfen.
Ein Pfeil zischte heran, traf Richard am Nasenschutz, prallte ab und verletzte ihm die ungeschützte linke Wange. Jäh quoll Blut aus der Wunde und rann ihm
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