Historical Platin Band 04
hielt Mellisynt sich vor, wohl nicht imstande zu sein, ihr Herzweh noch lange ertragen zu können.
Müde erhob sie sich von der Sohlbank und ging in der Gewissheit zu ihrem Lager, dass der Gatte bis in die frühen Morgenstunden zechen und sie nicht behelligen werde.
Zwei Tage nach der Geburt der jungen Prinzessin Eleonore de Bretagne sollte das schon zuvor beschlossene Kampfspiel stattfinden, das der Edle von Swaledale zu Ehren seines Lehnsherrn ausrichtete. Die Sonne stand bereits weit unter dem Zenit, als der Grandseigneur mit seinem Gefolge die Veste verließ und zu der einige Meilen südlich von Richmond gelegenen Burg des Vasallen zog. Da anderntags, wie stets am Vorabend eines Turniers, ein Lanzenrennen vorgesehen war, nächtigten die Herren in der Veste des Gastgebers.
Mellisynt war froh, dass der Gemahl eine Weile nicht im Palast sein würde. Am Morgen nach seinem Aufbruch wurde sie zu Ihrer Gnaden befohlen, erwies ihr die Reverenz und wartete, bis sie sich erheben durfte.
Constance wies auf die Wiege und fragte lächelnd: „Die Prinzessin Eleonore ist ein entzückendes kleines Geschöpf, nicht wahr?“
„Ja, Eure Hoheit“, bestätigte Mellisynt und warf einen Blick in die Wiege, in der, fürsorglich von der Amme bewacht, das Kleine schlief. „Man kann sich kaum vorstellen, dass auch wir einmal so winzig waren“, fuhr sie schmunzelnd fort. „Hoffentlich hat es Eure Schönheit und Euren Liebreiz geerbt, Eure Gnaden. Es ist erstaunlich, wie die äußeren und inneren Merkmale der Eltern sich in ihren Sprösslingen vereinen. Nachdem ich Monsieur William d’Edgemoor, meinen älteren Stiefsohn, kennengelernt hatte, war ich über sein heiteres und fröhliches Naturell überrascht. Ob er das von seiner Mutter hat?“
„Das bezweifele ich“, antwortete Constance trocken. „Ich habe sie nie lachen gesehen, und Euer Gatte, Madame, ist auch nicht mit einem bemerkenswert ausgelassenen Wesen gesegnet.“
„Nein, fürwahr nicht“, pflichtete Mellisynt der Herzogin bei. „Eurer Äußerung entnehme ich, dass Ihr offenbar die erste Gemahlin meines Gatten gut gekannt habt, nicht wahr?“
„Wie man es nimmt“, sagte Constance. „Ich wurde am Hofe meiner Schwiegermutter erzogen, wo ich Dame Alice wiederholt begegnet bin. Ich war noch eine Maid, als sie Euren heutigen Gatten freite, fand sie jedoch von Anfang an wenig anziehend. Sie war dünkelhaft und herrisch, indes nicht von hohem Stand. Dennoch hat es ihr nicht gepasst, dass sie dem natürlichen Sohn eines Chevaliers anvermählt wurde. Wahrscheinlich hat sie sich ihm nur widerwillig hingegeben.“
„Das trifft gewiss auf viele Frauen zu“, murmelte Mellisynt.
Erstaunt schaute Constance sie an und fragte bedächtig: „Soll diese Bemerkung andeuten, Madame, dass Euer Gemahl Euch zum Beilager zwingt?“
„Würde Euch das überraschen, Eure Gnaden?“
„Ja, denn es entspräche nicht dem Bild, das ich von ihm habe“, sagte Constance ehrlich. „Wenngleich er, mit Verlaub, Madame, nach höfischem Geschmack kein hübscher Mann ist, so hat er nicht auf die Wonnen einer Liebschaft verzichten müssen und, soweit mir zu Ohren gelangt ist, nie einem Weibe Not angetan. Und glaubt mir, Madame, dass ich sehr zufrieden bin, ihn mit Euch verheiratet zu wissen.“
Mellisynt wusste nicht, was sie darauf erwidern könne, und senkte den Kopf.
Befremdet betrachtete Constance sie und äußerte nach einem Moment besorgt: „Verzeiht mir, Madame, wenn ich neugierig wirken sollte. Indes drängt es mich, Euch zu fragen, ob es Euch zuwider ist, von Eurem Gemahl berührt zu werden. Sollte es an dem sein, würde ich Euch Mittel zukommen lassen, die Euch die Sinne reizen.“
Bestürzt richtete Mellisynt den Blick auf die Fürstin und sagte hastig: „O nein, Eure Gnaden! Das ist nicht notwendig!“
„Welcher Kummer lastet Euch dann auf der Seele?“
Bisher hatte Mellisynt ihre geheimsten Gedanken nur den Beichtvätern anvertraut, doch nie einem anderen Weib. Es stimmte sie verlegen, darüber mit Ihrer Hoheit sprechen zu sollen. Andererseits war ihr Gemahl der Herzogin seit Langem bekannt, sodass ein guter Rat ihr vielleicht weiterhelfen konnte. „Ich habe es vor einiger Zeit an Vertrauen zu meinem Gatten missen lassen und ihn in seinem Stolz verletzt“, gestand sie leise. „Bislang hat er mir diesen Fauxpas nicht verziehen.“
„Das nimmt mich nicht wunder, Madame“, sagte Constance ernst. „Die Ehre geht ihm über alles. Es gab lange Jahre, in denen er nicht
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