Historical Platin Band 04
und äußerte schmunzelnd: „Wir haben doch nach unserer Trauung festgestellt, dass es wahre Liebe nicht gibt, nicht wahr? Hör auf, dich zu zieren. Ich bin zu abgespannt, um jetzt mit dir zu debattieren. Komm endlich her!“
„Nein!“, sagte Mellisynt hart und wich zurück.
„Stell meine Geduld nicht auf die Probe!“, warnte er sie. „Ich bin nicht in der Stimmung, auf deine Launen einzugehen.“
„Das wäre ohnehin vergeblich, da ich dir nicht beiwohnen werde!“
Wütend starrte er die Gattin an, drehte sich zur Seite und sagte kalt: „Wie du willst!“
Sie war so verblüfft, dass sie nicht wusste, wie sie sich nun verhalten solle. Es war ihr unerklärlich, dass er nachgegeben, nicht mit ihr gehadert, sie nicht mit Gewalt zu sich gezerrt hatte. Unsicher überlegte sie, ob er sie überrumpeln wollte, nur darauf harrte, dass sie sich zu ihm legte, um dann schnell und hart seine Lust an ihr zu stillen, verdrängte den Gedanken indes sogleich. Das hätte nicht dem Wesen des Gemahls entsprochen. Wenn es ihn danach gelüstete, sie zu besitzen, hätte er bestimmt nicht zu einer List Zuflucht genommen.
Jäh entsann sie sich seiner überwältigenden Zärtlichkeiten, erschauerte unwillkürlich und schwor sich im Stillen, sich nie wieder von ihm betören zu lassen.
Unvermittelt kam sie sich lächerlich vor. Sie konnte nicht die ganze Nacht herumstehen oder auf einem Kasten schlafen. Dennoch fühlte sie sich außerstande, sich zu regen, sich zu entkleiden und zum Gatten zu begeben.
„Komm endlich zu Bett!“, sagte er, ohne sie anzuschauen. „Ich lasse dich in Ruhe, wenn du kein Verlangen nach mir hast.“
Schweigend entledigte sie sich der Gewänder und legte sich an den Rand der Bettstatt.
Er lauschte den Geräuschen und haderte mit sich, weil er auf die Gemahlin Rücksicht nahm. Ihr Widerstand hatte ihn in Wut gebracht, und er war versucht gewesen, ihr ein für alle Mal nachhaltig zu verstehen zu geben, dass sie ihm Gehorsam schuldete. Beim Anblick ihrer feindseligen Miene hatte er jedoch begriffen, dass sie entschlossen war, sich ihm auf Gedeih und Verderb zu widersetzen. In diesem Moment war ihm klar geworden, dass er ihr nicht wehtun könne.
Zudem war er es leid, ihre abweisende Haltung zu durchbrechen. In der letzten Zeit hatte er, wenn er mit ihr zusammen gewesen war, den Eindruck gewonnen, dass sie sich ihm nicht voll und ganz schenkte. Darob war sein Vergnügen sehr gemindert gewesen, da es ihm an der wilden, sinnlichen Minneglut gebrach, die er mit der Gattin noch vor ihrer ungerechtfertigten Beschuldigung, Ehebruch begangen zu haben, erlebt hatte. Aus dem anhaltenden Grimm darüber war er nicht fähig gewesen, mehr für sie zu empfinden denn körperliche Lust.
Seit ihrer Abreise nach Richmond hatte er oft bedauert, so harsch auf ihre voreilige Unterstellung reagiert zu haben. Schließlich konnte er nicht von ihr erwarten, dass sie denselben Begriff von Ehre und Vertrauen hatte wie ein Mann. Wiederholt hatte er bedauert, nicht mehr die einstige Beziehung zu ihr zu haben, und gehofft, mit der Zeit werde die zwischen ihnen bestehende Spannung sich legen. Nun hatte er feststellen müssen, dass die Gattin so schnell nicht zum Einlenken bereit war.
Er lauschte ihren unregelmäßigen Atemzügen, lächelte grimmig bei dem Gedanken, dass ihr offenbar ebenso unbehaglich zumute war wie ihm, und versuchte, sich zu entspannen. Die Art, wie er sich bemüht hatte, klare Verhältnisse zu schaffen, war unbefriedigend gewesen. Jetzt stand abzuwarten, ob es der Gemahlin auf ihre Weise gelang, die Situation zufriedenstellend zu bereinigen.
Richard wusste nicht, ob es die Gattin nicht doch nach ihm gelüstete. Sie verstand es geschickt, jede diesbezügliche Gefühlsregung zu verhehlen. Er wiederum hatte sich eingestehen müssen, dass er sich nach ihr sehnte, wiewohl er sich mit großer Willenskraft zwang, dem Bedürfnis, sich mit ihr zu vereinen, nicht nachzugeben.
Wochenlang nahm er an den im Palast zu Ehren der neugeborenen Prinzessin veranstalteten Lustbarkeiten teil, den Wettbewerben in Ballspielen, den Jagden und Turnieren, die unterhalb der Veste auf dem großen, freien Gelände stattfanden. Einmal musste er mit der Stichlanze gegen den Sire de Beauchamps antreten. Dabei gelang es ihm, ihn zu besiegen, doch im Schwertkampf zog er überraschenderweise den Kürzeren. Danach sprach Richard sich mit dem Baron aus, und beide sahen ein, dass sie einander im Kampf ebenbürtig waren und ihre Animosität begraben
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