Historical Platin Band 04
ihr gram zu sein, sah sie lächelnd den Baron an und äußerte freundlich: „Ich möchte Euch nicht aufhalten, Sire. Dame Isabeau ist soeben die Treppe hinuntergegangen. Wenn Ihr Euch sputet, holt Ihr sie gewiss noch ein.“
„Oh, ich habe keine Eile, Madame“, erwiderte Roger schmunzelnd. „Es ist mir stets ein Vergnügen, Eure Gesellschaft zu genießen.“
„Ich danke Euch für die Schmeichelei, Sieur, meine indes, dass Mademoiselle de Brissac hinfort für Euch an erster Stelle zu stehen hat. Erlaubt mir, Euch zu sagen, wie sehr ich mich für Euch freue, dass Ihr sie zur Gattin bekommt.“
„Zu gütig, Madame“, erwiderte Roger trocken. „Ich bin sicher, vieler guter Wünsche zu bedürfen, so ich eines Tages der Gemahl dieser doch recht widerspenstigen Frauensperson bin.“
„Das befürchte auch ich“, stimmte Mellisynt ihm erheitert zu.
Ihre Hoheit, die Duchesse de Bretagne, kam am selben Abend, an dem Mellisynts Gatte in der Veste eintraf, mit einer Tochter nieder. Zusammen mit dem Grandseigneur hatten alle wichtigen Würdenträger sich eingefunden, der Schultheiß der Grafschaft, der Seneschall der Veste, der Kapellan, der Kämmerer und vor allem der Schreiber, dem es oblag, die Geburt zu bekunden.
Die Wehen hatten lange gedauert und Ihrer Gnaden stark zu schaffen gemacht. Mit bewunderungswürdiger Courage hatte sie jedoch die Schmerzen ertragen und erst vor Qual aufgeschrien, als das Kind das Licht der Welt erblickte. Eine der Hebammen hatte die Nabelschnur durchtrennt, eine andere es an sich genommen, hochgehalten und allen Anwesenden gezeigt.
Matt hatte Ihre Gnaden sich nach dem Geschlecht des Säuglings erkundigt und war etwas enttäuscht gewesen, nur einer Tochter das Leben geschenkt zu haben. Dann hatte der Schreiber ordnungsgemäß die Geburt mit Ort und Stunde im Register vermerkt und die Hebamme das leise wimmernde Kind mit vorgewärmtem Wasser vom Blut gereinigt, getrocknet und in feinstes Linnen gehüllt.
Mit unzufriedener Miene hatte der Herzog mit seinem Gefolge das Gemach verlassen, und nur die Kindmutter, Kammerweiber und einige wenige Damen von Stand waren geblieben. Da die Fürstin das kleine, greinende Geschöpf nur kurz an sich genommen hatte, war es in eine mit Pelzen und weichem Florentiner Tuch ausstaffierte Wiege gelegt worden, an der nun die von Ihrer Gnaden ausgewählte Amme wachte.
Mellisynt sehnte sich danach, es herauszuheben, an die Brust zu drücken und zu herzen, bezwang den Wunsch jedoch, beglückwünschte ein weiteres Mal Ihre Durchlaucht zu deren Tochter und verließ leise den Raum. Nicht gewillt, sich im Saal den zechenden Männern beizugesellen, und aus dem Bedürfnis, dem Gatten einstweilen aus dem Weg zu gehen, suchte sie die Kemenate auf und setzte sich auf die in die Fensternische eingelassene Bank.
Seufzend lehnte sie sich an die Mauer, blickte durch das trübe Glas in die Dunkelheit und lauschte den die Geburt des Kindes verkündenden Fanfarenstößen. Vom Innenhof drang das Lärmen des Gesindes, der Knechte und Wachen herauf, und aus der Halle waren das Kreischen von Weibern, laute Zurufe aus Männermund, Fetzen von Musik und dumpfes Scheppern zu vernehmen.
Gedankenverloren schaute Mellisynt zum vollen Mond hinauf, dessen Licht hin und wieder von schmalen Wolkenfeldern verhüllt wurde, und dachte daran, dass ihr Monatsgang längst hätte erfolgen müssen. Zum ersten Mal hatte er ausgesetzt, und sie ahnte, dass ihr wahrscheinlich die Erfüllung ihres Herzenswunsches beschieden war. Dennoch erfüllte die Vorstellung, möglicherweise gesegneten Leibes zu sein, sie nicht mit der Freude, die sie früher bei diesem Gedanken empfunden hätte.
Bekümmert gestand sie sich ein, dass die Hoffnungen, die sie im verflossenen Jahr in Trémont gehegt hatte, die Sehnsucht nach Freiheit und einem Kind, eitel gewesen waren. Nun war ihr beides gewährt worden, aber sie fühlte sich innerlich leer und dumpf. Ihr grauste vor der Aussicht, dem geliebten Gatten beiwohnen zu müssen, da ihn außer niedriger Lust nichts mit ihr verband. Es bedrückte sie auch, dass sie ihre Gefühle nicht unterdrücken konnte und jedes Mal, wenn sie in seinen Armen lag, von leidenschaftlicher Minneglut überkommen wurde.
Niedergeschlagen fragte sie sich, ob er ihr je die unberechtigte Unterstellung der Untreue vergeben, sie wieder Herzlichkeit in seinem Blick sehen werde. Durfte sie hoffen, dass er ihr so in Liebe zugetan war wie sie ihm? Die Antwort stand in den Sternen, und seufzend
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